Spurlos
zehntausend Dollar verlangte!
Als sie den Hörer auf den Tisch legte, nahm sie in den Augenwinkeln eine Bewegung wahr. Matthew stand im Raum.
„Wer war das?“
Vielleicht hätte sie unter normalen Umständen gesagt: He, das geht dich gar nichts an . Doch die Umstände waren ganz und gar nicht normal, und so sagte sie:
„Ich habe gerade mit Christine gesprochen. Ich soll dir schöne Grüße ausrichten.“
Er erwiderte nichts, warf ihr nur einen prüfenden Blick zu und verschwand wieder. Bald darauf hörte sie das Wasser der Dusche laufen.
Sie versuchte sich an Phils Stimme zu erinnern. War er der Anrufer? Die Polizei könnte diese Frage sicher schnell klären, mithilfe ihrer Sprachcomputer –
Zehntausend Dollar! Sie überlegte, ob sie sich damit ihre Unschuld zurückkaufen könnte.
5
Shane lehnte mit verschränkten Armen an der Wand und beobachtete Eddie Colak, der seit einer Viertelstunde schweigend am Tisch des Verhandlungsraums hockte, ab und zu seinen schwarzen Bart kraulte und Costarelli hasserfüllt ansah. Colaks schwarzes T-Shirt mit dem riesigen Totenkopf verströmte einen beißenden Schweißgeruch.
Costarelli trug sein Schulterhalfter mit der Glock über seinem gelben Polohemd. Das schüchtert sie alle ein, hatte er noch gesagt, als er und Shane sich auf den Weg nach unten gemacht hatten.
Costarelli schlug mit der Faust auf den Tisch im Verhörzimmer. Eddie Colak zuckte nur kurz mit den Augen.
„Also, noch mal von vorn! Du bist seitlich an sie rangefahren, und dann?“
Eddie Colak reagierte nicht. Seine Augen fixierten einen Punkt auf der Wand hinter Costarellis Rücken.
Shane fragte sich, wie lange Colak diese Tour noch durchhalten würde.
Eine junge Frau, Laura Bevan, hatte gestern Nacht die Polizei angerufen. Vor ihrem Haus hatten ihr um ein Uhr nachts zwei Männer aufgelauert. Sie waren hinter den Büschen hervorgesprungen, hatten sie auf den Boden geworfen und ihr ein langes Messer an den Hals gedrückt. „Wenn dein Mann nicht die Schnauze hält, schlitzen wir dich auf, bestell’ ihm das!“, hatten sie ihr gedroht. Mit einem Rippenbruch, einigen Schürfwunden und panischer Angst war sie davongekommen.
Was die Männer aber nicht bedacht hatten: Laura hatte, anstatt die Botschaft an ihren Mann weiterzugeben, die Polizei informiert. Das Ereignis in der Nacht hatte ihr den Anstoß für eine lange aufgeschobene Entscheidung gegeben: Sie wollte endlich ihren Mann verlassen. Dass er mit den Hell’s Angels hin und wieder Geschäfte machte, hatte ihr noch nie gefallen.
Trotz ihrer Panik hatte sich Laura Bevan das Kennzeichen eines der Motorräder gemerkt. Als Eddie Colak heute Nachmittag mit seiner Harley vor sein Gartentor gefahren war, war er dort gleich von vier Polizisten im Empfang genommen worden.
Seit zwei Stunden war er nun in polizeilichem Gewahrsam und seit einer Viertelstunde mit Costarelli im Verhörzimmer, aber er schwieg, obwohl Laura ihn eindeutig identifiziert hatte. Die Zeit, die ihnen noch blieb, bis Eddies Anwalt kam und ihn gegen Kaution herauspaukte, wollte Costarelli nutzen, um ein Geständnis aus ihm herauszubringen, doch die Aussichten waren schlecht. Colak schaltete auf stur und nannte auch den Namen seines Kumpels nicht.
Shane brauchte einen Kaffee. Er gab Costarelli ein Zeichen, dass er den Raum verlassen würde.
„Schick’ mir Lleyton rein, damit er sich an den Anblick von solchen Kotzbrocken gewöhnt“, brummte Costarelli übelgelaunt.
Gerade als Shane die Hand zur Tür ausstreckte vibriertes es unter seinen Sohlen. Der Plastikbecher mit Kaffee, der auf Costarellis Seite des Tischs stand, zitterte. Alles schien plötzlich unter Strom zu stehen.
Eddie Colak sprang auf. „He, lass mich raus, Mann!“ Blitzschnell hatte Costarelli ihn wieder auf den Stuhl gedrückt. „Du bleibst hier.“ Niemand bewegte sich. Nur die Erde vibrierte.
Das Zit tern wurde zu einem Stoßen, dann wieder zu einem Zittern.
„He, ich will raus!“ Eddie Colak krallte sich am Tisch fest. „He, das könnt ihr nicht machen! Das ist ein Scheiß-Erdbeben!“ Aus dem harten Typ war in wenigen Sekunden ein Haufen Angst geworden. Seine Augen starrten an die Decke, als erwartete er, gleich unter ihr begraben zu werden. „Ich will hier raus!“
Costarelli stand breitbeinig vor ihm und sah ohne Mitleid auf ihn herunter . Die Erde zitterte, ruckte ... Shane dachte, es wird verdammt ungemütlich, aber hier drin ist es wahrscheinlich am sichersten. Unwillkürlich betrachtete er die
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