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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Halo
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war in 30 Unterrichtsstunden möglich.
    Weitere Tränen schossen Marie in die Augen, als sie an den Schlüssel dachte, den ihr die Mutter auf dem Sterbebett mit strahlenden Augen – in dem ansonsten todgeweihten Gesicht – so feierlich wie möglich überreicht hatte. Ein Schlüssel, der die zierliche Vitrine im Wohnzimmer öffnete. Ein Schlüssel, der zu einer beachtlichen Summe führte, die ihre Mutter angespart hatte. »Erfülle dir einen Traum!«, waren deren Worte gewesen, und Marie dachte damals an ihren Traum, den sie unmöglich der sterbenden Mutter erzählen durfte. 8.000 Euro hatten dann bald darauf für die Ausbildung und etliche Flugstunden gereicht. Ja, Marie durfte sich seit ihrem 18. Geburtstag Sportpilotin nennen. Ein Titel, der sie unendlich stolz machte. Ein Weg dorthin, der ihr die Kraft zum Überleben gegeben hatte – noch auf Erden dem Himmel so viel näher.
    Maries Nase drückte leicht gegen die kühle Fensterscheibe ihres Zimmers. Der Hubschrauber war gelandet. Das Kreisen seiner mächtigen Rotorblätter, das gebückte Herantreten zweier Personen, all das nahm sie von ihrer weit oben liegenden Position wie in Zeitlupe wahr. Die Tränen in ihren Augen sorgten zusätzlich für eine fast surreale Abbildung des Geschehens.
    Mit den Handballen stützte sie sich fest am Fenstersims ab, gab ihrem Körper zusätzlichen Halt. Dieses komische Gefühl der Schwäche in ihren Beinen erinnerte Marie an die Art von Albträumen, in denen sie wegrennen wollte, es aber nicht konnte; gerade weil dann der Teil unterhalb der Gürtellinie wie betäubt schien.
    Bei den soeben einsteigenden Personen musste es sich um den Kommissar und seinen Kollegen handeln.
    »Was gäbe ich dafür, jetzt auch im Hubschrauber zu sitzen … wie gerne würde ich mich an Thomas Schlunds kräftige Schulter lehnen«, dachte sie seufzend. Dieser Wunsch nach Nähe zu einem Mann wäre für sie gestern noch unvorstellbar gewesen – nicht nach dieser kurzen Zeit, nicht nach der damaligen Begegnung mit dem Teufel in Männergestalt. Doch Thomas Schlund hatte da etwas in seinen Augen, das ihr seltsam vertraut vorkam: Eine gezähmte Kraft, die ihr Sicherheit bot; eine tiefe Traurigkeit, die sie mitleiden ließ und ein unsichtbares Band zwischen ihnen zu spannen schien. Der Teufel hätte bei Thomas Schlund keine Chance, da war sie sich sicher.
    Und während Marie spürte, wie ihre Beine langsam, aber stetig wieder an Kraft gewannen, entfernte sich der Hubschrauber bereits vom Klostergelände, war die wenigen hundert Meter Luftlinie zu dem Ort im Wald unterwegs, an dem ein türhohes, gefrorenes, würfelartiges Etwas den Beginn unvorstellbarer Ereignisse ankündigte.

10
    Pater Johann saß in dem Bereich der alten Bibliothek, der ihm allein zugedacht war. Ein schwerer Samtvorhang passte sich dem runden Kellergewölbe perfekt an und war heute zugezogen, trennte so die kleine Leseecke von den restlichen offenliegenden Räumlichkeiten. Bis auf die moderne Beleuchtung und speziellen Leselampen, die all die empfindlichen Bücher und Pergamente beim Betrachten nicht unnötigen Gefahren aussetzen sollten, fühlte man sich ins Mittelalter versetzt. Die in den Wänden verankerten Fackelständer und Kerzenhalter waren benutzbar, aber keiner, der hier unten Zugang erhielt, würde je auf die Idee kommen, mit offenem Feuer zu hantieren.
    Die gesamte Bibliothek war gerade aufwendig renoviert worden. Zahlreiche für ein ungeübtes Auge nicht sichtbare Temperaturfühler gaben der Klimaanlage die nötigen Daten, um tief unter der Erde optimale Lagerbedingungen bieten zu können. Eine mit Zahlencode geschützte Zugangskontrolle öffnete die nach vielen Kellerstufen erscheinende Eingangstür aus Panzerglas nur ausgewähltem Personal – Kinder waren in diesen Räumlichkeiten ausdrücklich unerwünscht. Das machte auch ein roter Aufkleber deutlich, der mittig auf der Glastür klebte: »Wir müssen leider draußen bleiben« stand darauf, darunter grob skizziert einige Strichmännchen, die unverwechselbar Kinder darstellten.
    Pater Johann dachte an Thomas Schlund, dem er nach dessen Eintreffen am Morgen umgehend sein Bürozimmer überlassen hatte, und an das kurze Gespräch. Er hatte ihn sofort wiedererkannt, nur umgekehrt schien das nicht der Fall gewesen zu sein. Wie sehr der junge Kommissar doch seinem Vater rein äußerlich ähnlich sah. Nur in den Augen lag etwas, das er sich nicht erklären konnte.
    Bis zum Gymnasium war der Junge beim Abliefern der

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