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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Halo
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Schneeschicht wurde aufgewirbelt und unzählige weiße Flocken verhinderten für etliche Sekunden eine klare Sicht. Das typische Dröhnen wurde leiser. Verdutzt schauten sie sich in die Augen.
    »Da hämmert doch jemand!« Thomas drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der er die Schlaggeräusche vernommen hatte. Stille. Langsam hob er seinen Zeigefinger, so, als erwartete er jeden Augenblick ein erneutes Geräusch. Und tatsächlich. Im nächsten Moment hörte auch Sven etwas: Metall, das auf Metall schlug.
    »Schauen wir uns das mal an. Ein Empfangskomitee können wir wohl nicht mehr erwarten. Unseren Hubschrauber haben die ja hören müssen.« Sichtlich verärgert schritt Thomas voran und hinterließ tiefe Spuren im Schnee. Sven folgte ihm in geringem Abstand, trat mit seinen kleinen Stiefeln genau mittig in die großen Abdrücke seines Vorgesetzten.
    Nach einer kleinen Anhöhe befanden sie sich bereits mitten im Wald. Dicht standen die Bäume, und der Boden war teils gefährlich glatt. Es gab keinen Pfad oder noch so kleine Anzeichen, dass sich hier oben des öfteren Menschen aufhielten.
    »Glauben Sie, dass wir hier die Kinder finden?«, fragte Sven schwer atmend den Kommissar – die Luft war dünn in dieser Höhe.
    »Nein!«, antwortete Thomas und atmete tief ein und aus. »Ich kann mir das nicht vorstellen.« Plötzlich stoppte er. »Riechen Sie das auch?«
    Sven schnüffelte mit der Nase auf eine Art und Weise, die seinem Vorgesetzten deutlich zeigen sollte, dass er sich besonders anstrengte. Er wollte jede Chance nutzen, seinen guten Willen und sein Können unter Beweis zu stellen.
    »Irgendwas verfault hier, oder?«, erwiderte er dem Kommissar.
    »Ja. Hier stinkt was … und zwar gewaltig!«
    Thomas hatte seinen Satz gerade ausgesprochen, als ein tiefes Brummen stetig lauter wurde, schnell näher kam.
    »Schauen Sie!« Sven deutete mit seinem Zeigefinger nach oben. Ein riesiger Hubschrauber überflog in geringer Höhe die Baumwipfel über ihnen. Dort wo sich eigentlich der Rumpf befinden sollte, besaß er offene Trägerelemente, und neben den gewaltigen Rotorblättern erinnerte nur das Vorder- und Hinterteil an eine Verwandtschaft mit den üblichen Hubschraubern. Der gesamte Mittelteil schien nur aus einigen Verbindungsstücken zu bestehen. Diese mächtige Flugmaschine musste speziell zur Beförderung schwerer Lasten entwickelt worden sein. Sie flog noch etwa 200 Meter, schwebte dann – noch immer deutlich am Himmel sichtbar – auf der Stelle.
    Und während die beiden Männer mit offenem Mund in Richtung des lärmenden Ungetüms blickten, wurden die aus größerer Entfernung nicht erkennbaren vier dicken Stahlseile am Boden an der Fracht befestigt.
    »Schnell! Wir müssen …« Thomas konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Wie in Zeitlupe nahm er noch seinen Sturz in Richtung Boden wahr; dann verlor er das Bewusstsein.
    Mehrmals öffneten und schlossen sich langsam seine Augenlider. Seltsam hell war das, was er sah; hell und verschwommen. Mit der Zeit konnte er die Umrisse deutlicher erkennen: Jemand lag direkt neben ihm im Schnee. Die Stiefel waren mit seinen identisch, nur kleiner – die typische Polizeiausstattung.
    Thomas’ Blick schärfte sich weiter. Ein Stück vom gegenüberliegenden Beinansatz lag noch in seinem eingeschränkten Sichtfeld. Jeder Versuch, seinen Kopf auch nur leicht zu drehen, schlug allerdings fehl. Und dann waren sie plötzlich da: Fragen. Was war geschehen? Er musste ausgerutscht, mit dem Kopf ungünstig aufgeschlagen sein. Doch was war mit Sven? Warum lag er so ruhig da? Mussten sie sich verstecken? Falls ja, vor wem?
    Er erinnerte sich noch an den großen Hubschrauber und an das Hämmern, während er kontrolliert die Zunge in seinem Mund bewegte. Seltsam träge und verklebt fühlte sie sich an. »Was für ein komischer Geschmack«, dachte er kurz, als ihm unmittelbar danach klar wurde, was sich da in der Mundhöhle angesammelt haben musste, warum ihm das Schlucken so schwer fiel: Blut.
    Kraftlos tastete er mit der Zungenspitze die obere Zahnreihe ab. Hatte er sich etwa nach dem Sturz auf die Zunge gebissen? Thomas schloss die Augen, konzentrierte sich. Selbst die kleinen Bewegungen mit der Zunge schienen ihn erheblich zu schwächen; wie zahlreiche Nächte ohne Schlaf fühlte er sich. Und diese Lustlosigkeit. Irgendwie war ihm alles egal. Einfach nur die Augen wieder schließen, die Helligkeit verdrängen und schlafen, das war sein Wunsch. Die Zunge musste ihn jedenfalls

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