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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Raum über dem Tisch und dachte über sich nach.
    »Wahrscheinlich geht es schneller, wenn ich die Dinge aufzähle, die ich nicht kann. Ich kann weder kochen und noch putzen. Ich kann meine Sachen nicht in Ordnung halten und verliere alles sofort. Musik mag ich zwar sehr, aber singen kann ich überhaupt nicht. Ich bin ungeschickt und kann keinen Stich nähen. Mein Orientierungssinn ist das Letzte, und meistens verwechsle ich links und rechts. Wenn ich wütend bin, schmeiße ich Sachen an die Wand – Teller, Stifte, Wecker. Später tut es mir leid, aber in dem Augenblick kann ich mich nicht beherrschen. Ich habe keine Ersparnisse. Ich bin grundlos schüchtern und habe fast keine Freunde.«
    Sumire holte kurz Luft. »Aber ich kann ziemlich schnell blind tippen. Ich bin nicht besonders sportlich, aber außer Mumps hatte ich mein ganzes Leben lang keine Krankheiten. Ich komme nie zu spät. Beim Essen bin ich nicht wählerisch. Ich gucke kein Fernsehen. Manchmal gebe ich ein bisschen an, aber ich erfinde nie Ausreden. Etwa einmal im Monat bekomme ich Rückenschmerzen und kann nicht schlafen, aber normalerweise schlafe ich wie ein Stein. Meine Tage machen mir keine Schwierigkeiten. Gute Zähne habe ich auch. Außerdem kann ich ganz passabel Spanisch.«
    Miu schaute auf.
    »Sie können Spanisch?«
    In ihrer Schulzeit hatte Sumire einen Monat bei einem Onkel in Mexico City verbracht, der aus beruflichen Gründen dort lebte. Damals hatte sie intensiv Spanisch gelernt und später an der Uni weitergemacht.
    Miu fasste den Stiel ihres Weinglases mit zwei Fingern und drehte es sacht wie eine Schraube an einer Maschine. »Wie wär’s, hätten Sie nicht Lust, eine Weile bei mir zu arbeiten?«
    »Arbeiten?« Um einen angemessenen Gesichtsausdruck verlegen, setzte Sumire ihre gewohnte mürrische Miene auf. »Naja – ich habe noch nie im Leben richtig gearbeitet. Ich kann kaum ein Telefonat korrekt beantworten. Ich fahre nicht vor zehn mit der U-Bahn und drücke mich nicht besonders gewählt aus, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben.«
    »Alles kein Problem«, sagte Miu einfach. »Haben Sie morgen um die Mittagszeit schon etwas vor?«
    Sumire schüttelte automatisch den Kopf. Darüber musste sie nicht einmal nachdenken. Unverplante Zeit war ihr größtes Kapital.
    »Wollen wir dann nicht zusammen zu Mittag essen? Ich reserviere uns einen ruhigen Tisch in einem Restaurant in der Nähe«, sagte Miu. Sie hielt das Glas mit dem Rotwein hoch, den der Kellner ihr eingeschenkt hatte, betrachtete ihn aufmerksam, prüfte das Aroma und nahm dann bedächtig den ersten Schluck. Der Ablauf ihrer Bewegungen erinnerte an die nonchalante Anmut einer kurzen Kadenz, die ein verträumter Pianist im Laufe vieler Jahre vervollkommnet hat.
    »Dann sprechen wir in aller Ruhe über die Einzelheiten. Heute würde ich das Geschäftliche lieber beiseite lassen und mich amüsieren. Ich weiß nicht genau, was für ein Bordeaux das ist, aber er ist gar nicht schlecht.«
    Sumire gab ihre mürrische Miene auf und fragte Miu ohne Umschweife: »Sie haben mich doch gerade erst kennen gelernt und wissen fast nichts über mich.«
    »Das stimmt«, räumte Miu ein.
    »Woher wollen Sie dann wissen, ob ich Ihnen von Nutzen sein kann?«
    Sachte schwenkte Miu den Wein in ihrem Glas.
    »Ich beurteile Menschen immer nach ihrem Gesicht«, sagte sie. »Das heißt, Ihr Gesicht und Ihre Mimik gefallen mir.«
    Die Luft um Sumire schien plötzlich dünn zu werden. Ihre Brustwarzen versteiften sich unter ihrem Kleid. Fast mechanisch streckte sie die Hand nach ihrem Wasserglas aus und trank es in einem Zug aus. Ein Kellner mit Raubvogelgesicht schoss von hinten heran und füllte das leere große Glas mit frischem Wasser auf. Das Klirren der Eiswürfel hallte dumpf in Sumires Kopf wider wie das Stöhnen eines Räubers, der in einer Höhle eingeschlossen ist.
     
    Ich bin in sie verliebt, wusste Sumire auf einmal. So eindeutig, wie Eis kalt ist und Rosen rot sind. Und diese Liebe reißt mich mit ihrem Sog davon, so übermächtig, dass ich mich ihr nicht entziehen kann. Widerstand ist zwecklos. Vielleicht entführt sie mich an einen unbekannten, unheimlichen Ort, der vielleicht sogar gefährlich ist. Und das, was mich dort erwartet, wird mich zutiefst, ja tödlich verwunden. Vielleicht werde ich alles verlieren. Dennoch gibt es kein Zurück mehr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich diesem Strom zu überlassen, auch wenn ich darin aufgehe und mein Wesen darin erlischt.
    Im

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