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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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braucht. Stöckelschuhe, flache Schuhe und Sandalen für den Sommer – alles italienische Fabrikate. Und auch ein paar Handtaschen und ein bisschen Make-up.«
    »Das klingt ja richtig nach Jane Eyre«, sagte ich.
     
    So kam es, dass Sumire drei Tage in der Woche in Mius Büro arbeitete. Sie trug Kostüme oder Kleider, Schuhe mit hohen Absätzen und sogar Make-up und fuhr morgens mit der Bahn von Kichijoji nach Harajuku. Für mich war es schier unfasslich, dass sie vormittags wie ein ganz normaler Mensch mit der Bahn zur Arbeit fuhr.
    Außer ihrem Firmensitz in Akasaka hatte Miu noch ein kleines Büro nur für sich in der Nähe von Jingumae. Dort befanden sich lediglich ein Schreibtisch für Miu und einer für ihre Assistentin (das war Sumire), ein Aktenschrank, ein Faxgerät und ein PowerBook. Außerdem gab es einen CD-Spieler, kleine Boxen und ungefähr ein Dutzend Klassik-CDs. Es handelte sich mehr oder weniger nur um ein Zimmer mit einem winzigen Bad und einer noch winzigeren Küche im zweiten Stock eines Apartmenthauses. Nach Osten hatte man einen hübschen Blick auf einen kleinen Park. Im Erdgeschoss befand sich ein Ausstellungsraum für skandinavische Möbel. Der Verkehrslärm störte kaum, denn das Gebäude stand ein wenig von der Straße zurückgesetzt.
    Wenn Sumire ins Büro kam, goss sie als Erstes die Blumen und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Nach dem Abhören des Anrufbeantworters rief sie die E-Mails auf dem PowerBook ab, druckte sie aus und legte sie auf Mius Schreibtisch. Die meisten stammten von ausländischen Firmen und Agenturen und waren auf Englisch und Französisch abgefasst. Sie öffnete die Post und sortierte Überflüssiges aus. Täglich gingen mehrere Anrufe aus dem Ausland ein. Sumire notierte sich Namen, Nummer und Anliegen des Anrufers und gab diese Botschaften per Mobiltelefon an Miu weiter.
    Miu kam meist zwischen eins und zwei ins Büro und blieb etwa eine Stunde, um Sumire die nötigen Anweisungen zu geben, Kaffee zu trinken und Telefongespräche zu führen. Oft diktierte sie Sumire noch einige kürzere Geschäftsbriefe, die diese in den Computer eintippte und per E-Mail oder Fax verschickte. Außerdem verabredete Sumire für Miu auch Friseurtermine, reservierte für sie in Restaurants, im Squashcenter und so fort. Wenn alles Geschäftliche erledigt war, plauderte Miu noch ein bisschen mit Sumire, dann ging sie wieder.
    Sumire verbrachte viele Stunden in dem Büro, oft ohne mit jemandem zu sprechen, doch weder langweilte sie sich noch fühlte sie sich einsam. Sie wiederholte das Pensum ihres zweimal wöchentlich stattfindenden Italienischunterrichts, paukte unregelmäßige Verben und überprüfte ihre Aussprache mit Hilfe des Kassettenrekorders. Sie besuchte einen Computerkurs, sodass sie die meisten einfachen Probleme selbst bewältigen konnte. Sie machte sich mit den Informationen auf der Festplatte vertraut und wusste bald einigermaßen über Mius Arbeit Bescheid.
    Im Großen und Ganzen erstreckte sich Mius Betätigungsfeld auf das, was sie ihr bei der Hochzeit erklärt hatte. Sie schloss Exklusivverträge mit kleineren Winzern, hauptsächlich in Frankreich, deren Weine sie importierte und an Restaurants und Spezialitätengeschäfte in Tokyo abgab. Außerdem organisierte sie hin und wieder Konzertreisen ausländischer Künstler nach Japan. Größere Agenturen übernahmen die finanzielle und technische Organisation, während Miu das Konzept erstellte und die Kontakte herstellte. Es war Mius Spezialität, noch unbekannte, aber vielversprechende junge Talente ausfindig zu machen und sie nach Japan zu bringen.
    Wie viel Miu mit ihren Geschäften verdiente, wusste Sumire nicht. Die Dateien für die Buchhaltung waren separat gespeichert und nur über ein Passwort zugänglich. Sumire war schon überglücklich und bekam Herzklopfen, wenn sie Miu nur zu sehen bekam und mit ihr sprechen konnte. Das ist der Stuhl, auf dem Miu sitzt, das ist der Kuli, mit dem sie schreibt, das ist die Tasse, aus der sie ihren Kaffee trinkt, dachte sie immer wieder und erledigte auch noch so unbedeutende Kleinigkeiten mit größter Gewissenhaftigkeit.
     
    Ab und zu lud Miu sie auch zum Essen ein. Da gute Weine zu ihrem Geschäft gehörten, suchte sie dann bekannte Restaurants aus, um hinsichtlich der Nachfrage auf dem Laufenden zu bleiben. Miu aß immer ein leichtes Fischgericht (manchmal bestellte sie auch Hühnchen), ließ aber die Hälfte stehen und nahm keinen Nachtisch. Bevor sie eine Flasche Wein

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