Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Hingabe mit Leib und Seele, Fleisch und Blut, und ich konnte nicht Nein sagen, kein einziges Mal.«
    »Aber haben Sie es dann nicht bedauert aufzuhören? So kurz vor Ihrem Ziel?«
    Miu blickte Sumire forschend in die Augen, tief und direkt. Auf dem Grund von Mius Augen wetteiferten mehrere stumme Strömungen miteinander, wie Strudel unter einer stillen Wasseroberfläche. Es dauerte lange, bis alles, was sie aufgewirbelt hatten, sich wieder gesetzt hatte.
    »Es tut mir leid, das geht mich ja gar nichts an«, entschuldigte sich Sumire.
    »Das ist schon in Ordnung. Ich weiß nur nicht, wie ich es erklären soll.«
    Damit war das Thema zwischen ihnen vorerst abgeschlossen.
     
    In Mius Büro war es verboten zu rauchen. Überhaupt hasste sie es, wenn jemand in ihrer Gegenwart rauchte. Daher beschloss Sumire, als sie für Miu zu arbeiten begann, mit dem Rauchen aufzuhören. Kein leichtes Unterfangen für jemanden, der am Tag zwei Päckchen Marlboros rauchte. So kam es, dass Sumire nach einem Monat ihr seelisches Gleichgewicht verlor (das von vornherein nicht gerade unerschütterlich gewesen war), wie ein Tier, dem man den buschigen Schwanz abgeschnitten hatte. Natürlich fing sie wieder an, mich mitten in der Nacht anzurufen.
    »Ich denke nur noch ans Rauchen. Ich kann nicht einschlafen, und wenn doch, habe ich grässliche Träume, und außerdem bekomme ich Verstopfung. Lesen kann ich nicht, und geschrieben habe ich auch keine einzige Zeile.«
    »Das geht allen so, die mit dem Rauchen aufhören. Am Anfang zumindest«, sagte ich.
    »Du hast leicht reden, wenn es um andere geht. Du hast doch noch nie in deinem Leben geraucht.«
    »Wenn man nichts über andere sagen dürfte, wäre die Welt ein trauriger und gefährlicher Ort. Denk an Stalin.«
    Langes Schweigen am anderen Ende der Leitung, düster wie das der toten Seelen an der Ostfront.
    »Bist du noch dran?« fragte ich.
    Endlich sprach Sumire wieder. »Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass meine Schreibblockade nur mit dem Rauchen zu tun hat. Natürlich ist das auch ein Grund, aber nicht der einzige. Ich habe den Verdacht, dass ich das mit dem Rauchen nur als Ausrede benutze: ›Ich kann nicht mehr schreiben, weil ich nicht mehr rauche. Kann man nichts machen.‹ So auf die Art.«
    »Und darüber regst du dich auf?«
    »Scheint so«, sagte Sumire, einsichtig wie selten. »Das Schlimmste ist ja auch nicht, dass ich nicht schreiben kann, sondern dass ich davon nicht mehr so überzeugt bin wie früher. Ich finde mein Geschreibsel völlig uninteressant und verstehe selbst nicht, was ich damit sagen wollte. Es ist, als sähe ich aus weiter Ferne auf ein paar alte Socken in der Ecke. Ekelhaft. Wenn ich nur daran denke, wie viel wertvolle Zeit und Energie ich darauf verschwendet habe!«
    »Das ist ein Zeichen, dass du jemanden – nur symbolisch, versteht sich – um drei Uhr morgens anrufen und ihn aus seinem friedlichen Schlaf reißen solltest.«
    »Weißt du manchmal auch nicht, ob du das Richtige tust?« fragte Sumire.
    »Dass ich es weiß, kommt seltener vor.«
    »Ehrlich?«
    »Ehrlich.«
    Sumire klopfte sich mit dem Finger an die Schneidezähne, eine ihrer Angewohnheiten, wenn sie nachdachte. »Bisher habe ich es eigentlich immer gewusst. Ich will damit nicht sagen, ich hätte nie an mir oder meiner Begabung gezweifelt, so eingebildet bin ich nicht. Ich weiß, ich bin unreif und ichbezogen, aber unsicher war ich eigentlich nie. Klar, ich habe auch Fehler gemacht, aber im Großen und Ganzen dachte ich immer, ich sei auf dem richtigen Weg.«
    »Du hast eben bis jetzt Glück gehabt«, sagte ich, »reines Glück. Wie ein langer Regen nach dem Reissetzen.«
    »Kann sein.«
    »Aber in letzter Zeit ist es nicht mehr so?«
    »Genau. Manchmal fürchte ich, dass alles, was ich bisher gemacht habe, total falsch war. Nachts habe ich diese vollkommen realistischen Träume. Ich schrecke hoch und weiß für einen Moment nicht mehr, was Wirklichkeit ist und was Traum. Verstehst du, was ich sagen will?«
    »Ich glaube schon.«
    »In letzter Zeit habe ich oft Angst, dass ich nie einen Roman schreiben werde. Dass ich nur eines von diesen naiven Mädchen bin, die in Scharen die Welt bevölkern und deren einzige Stärke ihr Selbstbewußtsein ist. Und die einem Traum nachjagen, der nie Wirklichkeit wird. Ich sollte den Klavierdeckel schließen und von der Bühne steigen. Bevor es zu spät ist.«
    »Den Klavierdeckel schließen?«
    »Metaphorisch gesprochen.«
    Ich wechselte den Hörer von der

Weitere Kostenlose Bücher