Sputnik Sweetheart
wurde.
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Es ist nun wohl an der Zeit, dass ich auch etwas über mich erzähle, obwohl dies Sumires Geschichte und nicht meine ist. Doch als Erzähler muss ich mich wenigstens vorstellen, kurz erklären, wer ich bin.
Wenn ich über mich selbst spreche, gerate ich leicht in Verwirrung. Immer wieder stolpere ich über das Paradox der uralten Frage »Wer bin ich?«. Natürlich gibt es keinen anderen Menschen auf der Welt, der über so viele Informationen über mich verfügt wie ich, der mehr über mich erzählen könnte als ich. Aber wenn ich von mir erzähle, kommt es unweigerlich dazu, dass ich als Erzähler durch verschiedene Faktoren – meine Wertvorstellungen, meine emotionalen Eigenarten und meine Perspektive als Beobachter – mein erzähltes Ich beeinflusse und beschneide. In welchem Maß entspricht mein von mir erzähltes Ich überhaupt noch den objektiven Fakten? Diese Frage hat mich schon immer sehr beschäftigt.
Die meisten Menschen scheint sie jedoch nicht zu belasten. Sooft sich die Gelegenheit bietet, geben sie bereitwillig und mit erstaunlicher Offenheit über die eigene Person Auskunft. Häufig hört man Sätze wie: »Ich bin jemand, der so ehrlich ist, dass es schon an Dummheit grenzt«, oder: »Als sensibler Mensch habe ich es im Leben nicht leicht«, oder: »Ich bin sehr empfänglich für die Stimmungen anderer« und so fort. Doch dann kann man beobachten, wie der »sensible Mensch« andere unentwegt und ohne ersichtlichen Grund verletzt. Oder der Ehrliche dreist auf seinen Vorteil bedacht ist und die für die »Stimmungen anderer Empfänglichen« den albernsten Schmeicheleien erliegen. Wie gut kennen wir uns selbst?
Je mehr ich über diese Frage nachdenke, desto größer werden meine Vorbehalte, über mich selbst zu schreiben. Dagegen drängt es mich, etwas mehr oder weniger Objektives über die Wirklichkeit dessen zu erfahren, was außerhalb von mir existiert. Ich möchte begreifen, welchen Einfluss bestimmte Dinge und Menschen auf mein Inneres nehmen, wie ich sie integrieren und mich dennoch im Gleichgewicht halten kann.
Mit diesen Fragen setze ich mich seit meiner Jugend auseinander. Hochtrabend könnte man auch sagen, ich arbeite an meiner Weltanschauung. Wie ein Baumeister den Bauplatz für sein Gebäude absteckt und dann Stein um Stein die Mauern hochzieht, füge ich einen Gedanken an den anderen. Dabei spielt Erfahrung immer eine größere Rolle als Logik, und die Praxis überwiegt die Theorie. Dass es jedoch fast unmöglich ist, die eigenen Erkenntnisse anderen zu vermitteln, musste ich mehrmals schmerzlich am eigenen Leibe erfahren.
Infolge dieser schlechten Erfahrungen hatte ich als junger Mann zwischen mir und anderen eine unsichtbare Schranke errichtet und achtete streng darauf, dass niemand sie überschritt. Ich nahm nicht gern etwas von anderen an, und meine einzigen beiden Leidenschaften waren das Lesen und Musik. So wird man sich leicht vorstellen können, dass ich zu einem recht einsamen Menschen heranwuchs.
Ich komme aus einer ganz normalen Familie, so überaus normal, dass ich kaum weiß, womit ich anfangen soll. Mein Vater hatte an einer Provinzuniversität Naturwissenschaften studiert und war im Labor eines großen Lebensmittelherstellers beschäftigt. Sein Hobby war das Golfspielen, und er ging jeden Sonntag auf den Golfplatz. Meine Mutter liebte Gedichte und nahm häufig an einem Tanka-Kreis * 1 teil. Immer wenn eines ihrer Tanka auf der Gedichtseite einer Zeitung abgedruckt wurde, war sie blendender Stimmung. Sie putzte viel, aber mit dem Kochen hatte sie es nicht so. Meine fünf Jahre jüngere Schwester hasste sowohl das Putzen wie das Kochen. Für sie waren das Arbeiten, die gefälligst andere zu erledigen hatten. Daher war ich, seit ich in der Küche stehen konnte, daran gewöhnt, meine Mahlzeiten selbst zuzubereiten. Ich kaufte mir Kochbücher und konnte bald fast alles zubereiten. Kein anderes Kind in meinem Freundeskreis lebte so wie ich.
Ich bin in Suginami geboren, aber als ich noch klein war, zogen wir nach Tsudanuma in der Präfektur Chiba, wo ich aufgewachsen bin. In unserer Nachbarschaft wohnten nur Angestelltenfamilien. Meine Schwester war meist die Beste in der Klasse und ärgerte sich, wenn sie es einmal nicht war. Sie mied alle Tätigkeiten, die ihr keinen Vorteil brachten. Nicht mal unseren Hund führte sie spazieren. Später studierte sie Jura an der Todai-Universität und bestand ein Jahr nach dem ersten schon das zweite Staatsexamen. Ihr
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