ST - Die Welten von DS9 2: Andor - Paradigma
Kammer konnte Prynn die Umrisse des Anhängers unter dem dünnen Stoff erkennen. Wie lange es wohl dauerte, bis auch zh’Cheen sie bemerkte? Und was geschah dann?
Kapitel 4
Phillipa ergriff die Ränder ihres Schutztuches, schlang sie eng um ihren Körper und hielt sie mit den Ellbogen fest. Vor der Reise hatte sie sich zwar in die andorianische Kultur eingelesen, diesen speziellen Brauch aber übersehen. Er leuchtete ein: Ganz ohne Kleidungsund sichtliche Rangunterschiede waren alle, die sich zur Klausur fanden, gleich und der Klansitz gleich viel sicherer. Dennoch fragte sie sich, ob es nicht auch Zweck dieser Tradition war, Gäste derart zu verunsichern, dass sie so sanft wurden wie ein
Sehlat
nach einer schweren Mahlzeit. Und Phillipas Verunsicherung hatte Gründe! Shibias behauptete zwar, jede einzelne ihrer Alters- und Schwangerschaftsfalten zu lieben, und vielleicht war dem auch so – aber sie selbst liebte sie nicht. Und sie kam viel zu selten dazu, nach Feierabend noch eine Runde durch den Andockring zu joggen.
Als sie Shar die abfallenden Gewölbegänge zur Klausurkammer folgte, bemerkte sie, dass es im Inneren des Klansitzes keine Türen zu geben schien. Überall hatte sie ungehinderten Blick in großzügig bemessene Räume mit hohen Decken und den bereits vertrauten, Licht spendenden weißen Quarzsteinen. Unpersönliche Gemeinschaftszimmer überall – aber keine privaten. Auch fiel ihr auf, wie wenig Interesse ihre Anwesenheit bei den wenigen Festungsbewohnern hervorrief, denen sie begegneten. Niemand nahm sie genauer in Augenschein, niemand sah ihnen skeptisch nach. Diejenigen, die ihre Präsenz überhaupt erkennbar registrierten, trugen nur ernste Mienen zur Schau und sahen die Besucher nie direkt an, sondern schienen stets auf eine Stelle hinter ihren Ohren oder über ihren Köpfen zu starren: Augenkontakt ohne Augenkontakt. Nach allem, was Phillipa an Shar und seinen Bündnispartnern beobachtet hatte und hier zu sehen bekam, vermutete sie, dass Privatsphäre unter Andorianern ein interner, gedanklicher Raum sein musste. Wo Menschen und viele andere Föderationszivilisationen, etwa auf Bajor oder Trill, physischen Raum zur Privatsphäre deklarierten und Abstand hielten, zogen Andorianer wohl rein geistige Grenzen. Die gesamte äußere Welt – inklusive des Körpers – war öffentlich.
Hier definiert mich niemand als die fünfundvierzigjährige Ein-Achtel-Vulkanierin, die ich bin. In den Augen der Andorianer bin ich das, was sie
nicht
von mir sehen: meine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen, die nur ich ihnen sagen kann
.
Tiefer und tiefer ging es in die Festung hinab, und je weiter sie gingen, desto wärmer wurde es. Phillipa brauchte einen Moment, den Grund für die Hitze zu erkennen.
Vier diamantenförmige Wasserbecken, eingelassen in einen mit rauen Schiefer- und Granitplatten bedeckten Boden, dominierten die Klausurkammer des Klans. Vom strahlend hellen Beckenboden sprudelte das Wasser empor, kam zischend und dampfend an die Oberfläche. Dichte Schwaden stiegen von den Becken auf, füllten die achteckige Kammer mit Nebel und erschwerten es, ihr wahres Ausmaß zu erkennen. Dennoch sah Phillipa, dass man sie bereits erwartete. An jedem Beckenrand ragten blaue, höfliche Mienen aus dem Wasser, das ihre Schutztücher nahezu farblos und durchsichtig wirken ließ.
Dem salzig-frischen Geruch nach zu urteilen, wurden die Becken von den unterirdischen heißen Quellen der Halbinsel gespeist. Im Zentrum jedes einzelnen erhob sich eine flache, steinerne Mini-Insel. Diese schien als Tisch zu dienen, standen doch Trinkgefäße darauf. Auch außerhalb des Wassers befanden sich Klausurteilnehmer. Sie saßen dem Wasser zugewandt und konnten so alle Anwesenden sehen. Besucher, so schien es, durften sich ebenfalls an den Getränken und der Gemeinschaft erfreuen. Es war angenehm hier drin. In den anderen, eher zugigen Steinkammern der Festung brauchte man Pelze, Leder und Stiefel, um nicht zu erfrieren. Ob es entspannend war, in diesen Pools zu treiben und ein Getränk zu genießen? Phillipa hoffte, sie bekam noch Gelegenheit, eine Klausur unter besseren Umständen zu besuchen.
Als sie eintraten, verebbte das Gewirr aus flüsternden Stimmen zu nahezu völliger Stille. Kondenswasser bedeckte die moosigen Wände, tropfte von den Säulen und bildete Pfützen am Boden. Phillipa bewegte sich mit Vorsicht, sie wollte nicht ausrutschen, erkannte aber bald, dass die Platten besonders beschlagen worden waren und
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