ST - Die Welten von DS9 2: Andor - Paradigma
schliche sich hinterrücks heran, um sie zu überraschen. Doch niemand war gekommen. Niemand
würde
kommen. Prynn war nicht dumm – idealistisch, ja, aber nicht dumm.
Tatsache: Erst gestern hatte Shar romantisches Interesse an ihr gezeigt. Er mochte ein andorianischer
chan
sein, aber er war auch Mann genug, dass sie die Zeichen deuten konnte. Zumindest hatte sie das geglaubt. Ihre Erinnerung an das Fest war verschwommen, doch irgendetwas musste dort zwischen ihnen geschehen sein. Warum sonst behandelte er sie seitdem, als hätte sie die marbagonianische Pest? Gut, am Ende hatte das
Saf
ihn beeinflusst – aber bereits vor dem
Saf
hatte sie seine Blicke gespürt, die zufälligen Berührungen genossen, die Chemie gespürt. Und ihr war es doch nicht anders gegangen! Doch seit Beginn dieser Mission sah er ihr kaum noch in die Augen, abgesehen von dem einen Moment, als sie ihre Skepsis über den andorianischen Weg in Worte gekleidet hatte.
Anfangs hatte sie geglaubt, er ignoriere sie aus Scham (die sie teilte) und/oder weil er sich schuldig fühlte (was sie verstand). Seit sie ihn mit Thia gesehen hatte, war sie allerdings anderer Meinung.
Und hier, in der Einsamkeit, ließ sie ihrer Eifersucht freien Lauf. Sie biss sich auf die Unterlippe, schloss die Augen und rief sich die Szene wieder in Erinnerung. Thia hatte bäuchlings im Sand gelegen, den Kopf auf den Armen. Shar, Ölfläschchen in Händen, hatte sich Öl in die Hand gegossen und begonnen, ihren unteren Rückenbereich zu massieren – dort, wo ihr das
Kheth
aus der Wirbelsäule wuchs. Gut möglich, dass der Hautbeutel nun, da sie ihren
Thei
seit Tagen entwöhnte, trocken wurde und juckte. Aber konnte eine erfahrene
Zhavey
sich das Öl nicht ohne Shars Hilfe auftragen? Oder sie, Prynn, bitten, es zu tun?
Vielleicht nicht. Vielleicht scheute sich Thia, sie zu fragen. Sie war schließlich keine Andorianerin. Und vielleicht ging es in Wahrheit nur darum: Shar war
ihr
Freund, aber Thia gab
ihr
das Gefühl, hier die Außenseiterin zu sein.
Prynn seufzte.
Sie schöpfte mit den Händen Wasser, goss es sich über die Schultern und genoss das Gefühl der Rinnsale, die ihren Körper hinabliefen. Die Augen geschlossen, ließ sie die angenehme nächtliche Brise über ihre nasse Haut streichen. Bald würde der zweite Mond aufgehen, und sie wollte diese letzten friedlichen Momente auskosten.
Schon von Weitem lauschte Prynn auf akustische Hinweise. Sie wusste nicht, wie lange diese Massage dauerte, und wollte in nichts hineinplatzen. Andorianer machten sich vielleicht keine Gedanken über Intimität, Menschen schon, und Prynn konnte ihre kulturelle Programmierung nur bis zu einem gewissen Grad abschalten. Trotz der vielen Sommer an der Riviera, wo die Sonnenbadenden einen lässigen Umgang mit ihrer Nacktheit gepflegt hatten, war es ihr unangenehm, Personen, die sie kannte, derart »entblößt« zu erwischen.
»Na dann …«, sagte sie. Ihr Blick ging zur Bahn des zweiten Mondes, wanderte über die Tausende von Sternen, strahlend und hell. Dann atmete sie tief ein, räusperte sich übertrieben laut und trat ins Camp – sofern ein paar Rucksäcke und flach ausgestreckte Wandererkörper dieser Bezeichnung gerecht wurden.
Thia kümmerte sich gerade um Phillipa, strich ihr mit einem Stück Stoff über das aschgraue Gesicht. Sie nickte Prynn grüßend zu, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Shar – eine Studie in Reglosigkeit – saß an einen Fels gelehnt und betrachtete konzentriert einen Trikorder.
»Haben wir irgendwas entschieden?«, fragte Prynn.
»Phillipa ist nicht in der Verfassung zu reisen«, antwortete er und befestigte den Trikorder an seiner Hüfte. »Ihre Werte sind besser, aber ihr Körper muss erst entgiften, bevor sie stark genug ist, aufzubrechen.«
»Ich bleibe bei ihr«, sagte Thia fest.
»Aber du weißt, wo die Lavahöhle ist«, warf Shar ein. »Du weißt am ehesten, was uns erwartet. Du kannst auf deine Bündnispartner einreden.«
»Die Strecke ist recht simpel, wenn ihr das Plateau erst hinter euch habt. Der Weg gehört zu einer archäologischen Ruine, einem Tempel. Die Dunkelheit wird euch Schutz bieten, und aufgrund der radiologischen Interferenzen können meine Partner genauso wenig Sensoren benutzen wie ihr.« Thia rollte Phillipa auf die Seite, schob die Bandagen fort und nahm die Wunden in Augenschein. »Phillipa braucht mich viel dringender als ihr.«
Mit sichtlichem Zögern stimmte Shar zu und begann, seinen Rucksack zu packen.
Prynn
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