ST - Die Welten von DS9 2: Andor - Paradigma
die Sensoranzeigen gerichtet, rutschte er näher zu ihr. Er musste sie nicht ansehen, um zu wissen, dass sie den Blick absichtlich abwendete. »Prynn?«
»Hmmm?«
Shar begann den Trikorderneustart. Es würde einige Minuten dauern, bis das Gerät wieder bereit war. »Wir haben wenig Zeit, und es war falsch von mir, dem Gespräch mit dir so lange auszuweichen. Ich war nicht fair zu dir.«
»Wie genau meinst du das?«, fragte sie leise, gefasst.
Er seufzte. »Ich meine, dass ich mich für das, was auf diesem Fest geschah, verantwortlich fühlte. Ich war wütend auf meine
Zhavey
, und wenn ich wütend bin, tue ich selten etwas Gutes. Ich lief fort und nahm dich mit, und dabei brachte ich dich in Gefahr. Du hättest dein Leben verlieren können.«
»Absolut«, sagte sie.
Mit dieser Erwiderung hatte er nicht gerechnet. Er wusste zwar nicht, was er erwartet hatte, das aber nicht.
»Du warst ziemlich planlos«, fuhr sie in sachlichem Ton fort, »das kommt hin. Ich verstehe, dass du eine schwere Zeit durchmachst. Mehr als schwer, unfassbar hart. Aber ich stand immer zu dir, und soweit ich es sehen kann, juckt dich das kaum.«
»Was? Ohne dich …« Er brach ab. »Was kann ich sagen, damit du mich verstehst?«
Sie sah ihn an. »Sag mir, warum du Thia massiert hast. Was lief da zwischen euch beiden?«
Er blinzelte. Sie hatte ihn mit Thia gesehen und falsche Schlüsse gezogen? »Thia brauchte Hilfe. Und ich habe ihr geholfen.«
»Du hast sie berührt – und zwar auf sehr private, sehr intime Weise.«
Es war zwecklos, ihre Miene in dieser Dunkelheit deuten zu wollen. Shar zermarterte sich das Hirn. Wie konnte er sich ihr verständlich machen, die Situation retten? Er dachte an den kurzen Moment mit Thia und musste sich eingestehen, dass auch er verwirrt war. Nicht wegen einer etwaigen emotionalen Bindung zu der
zhen
, sondern weil er seine Rolle in diesem Moment so selbstverständlich übernommen hatte. Wie konnte er Prynn erklären, was er selbst kaum verstand? Würde sie ihm überhaupt glauben, wenn er es versuchte? »Prynn, ich war ihr verpflichtet. Sie brauchte das.«
»Brauchte?« Sie hob die Hände. »Wonach sehen die bitte aus? Nach Phasern? Oder warum hat sie nicht mich um Hilfe gebeten?«
»Ich bin
chan
. Es obliegt dem
chan
, zu helfen. Es wird von ihm erwartet.«
»Seit wann richtet sich Thirishar ch’Thane nach dem, was sein Volk erwartet?«
»Ich bin Teil des Ganzen«, sagte er schärfer als beabsichtigt, »ob ich es will oder nicht.« Wie sollte er beschreiben, was auch er erst allmählich begriff? Wie diese intuitive Verbindung schildern, die er zu etwas empfand, das größer als er, als Thia, sogar größer als seine eigenen Bündnispartner war? Bis zu dieser Nacht hatte er das Ganze, das Eins-Sein, stets als ein Abstraktum verstanden. Nun aber fragte er sich, ob es nicht mehr als nur eine Idee war. »Als ich Thia half, fühlte ich mich mit einem Teil meiner selbst verbunden, den ich nie zu erreichen geglaubt hatte. Ich
konnte
einer
zhen
die
chan
-Pflicht nicht verweigern. Es wäre falsch gewesen.«
Prynn legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und seufzte. »Und was heißt das jetzt? Ich würde alles für dich tun, Shar. So viel bedeutest du mir. Aber gibt es überhaupt einen Platz für mich – für uns – in diesem Ganzen?«
Der Trikorder piepte, die Rekalibrierung war abgeschlossen.
»In meinem Leben wird es immer einen Platz für dich geben«, versprach Shar.
»Das würde ich gern glauben«, erwiderte sie.
Er konnte ihr die Zweifel nicht verübeln. Wäre er an ihrer Stelle, würde er sich unter diesen Umständen nicht anders fühlen als sie. Aber sie
mussten
die Zweifel überwinden – denn so sehr er seiner andorianischen Identität nicht entkommen konnte, so sehr weigerte er sich, seine Gefühle für Prynn zu verdrängen.
»Wir müssen weiter.« Prynn stand auf und klopfte sich den Schmutz, den Pflanzensaft und die vertrockneten Blätter von ihrem Anzug. »Es sind nur noch wenige Stunden bis Tagesanbruch.«
Dieser Logik hatte er nichts entgegenzusetzen. »Hol schon deine Höhlenausrüstung raus. Wir sind leiser, wenn wir sie schon parat haben, bevor wir die Röhre erreichen.«
»Guter Vorschlag«, sagte sie und nahm die Nachtsichtbrille aus ihrem Rucksack.
Shar fand ihre Position auf dem Trikorderdisplay. Dann brachen sie auf.
Kapitel 9
Tief im Berg waren Tag und Nacht für Vretha eins geworden. Man kümmerte sich um sie, gab ihr Nahrung und Wasser. Und mit den Stunden
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