ST - Die Welten von DS9 2: Andor - Paradigma
Allmählich begriff er die Bedeutung ihrer Worte: Amputation
.
Thriss schmiegte ihre Wange an seine und flüsterte in sein Ohr: »Ich werde dir den Eingriff genau erklären. Ich verspreche, du wirst keine Schmerzen haben.«
Bevor er etwas erwidern konnte, erzitterte der Raum unter einem ohrenbetäubenden Knall. Staubwolken stiegen auf. Thriss warf sich schützend über ihn. Shar wollte sie wegschieben und flehte sie an, sie möge diesen gefährlichen Ort verlassen, doch sie weigerte sich. Das spürte er. Sein ganzes Leben lang hatte er Thriss noch nie so gesehen – so konzentriert und entschlossen, selbst unter diesem grauenvollen Stress
.
»Reshus! Hierher, Leilo! Ich brauche eure Hilfe!«
Der Bolianer kauerte leise weinend an einer Säule. Die zweite Person lag leblos am Boden. Shar wollte Thriss sagen, dass Schock unter den Umständen keine seltene Reaktion war, doch sein Mund vermochte die Worte nicht zu bilden
.
Er spürte, wie Thriss an der Binde hantierte. Dann war ihr Gesicht nah an seinem. »Ich bin gleich zurück
, Zhavey
.«
Anfangs behandelte Thriss diesen Leilo noch freundlich, hoffte auf dessen Unterstützung. Doch nach und nach wurde ihr sanfter Ton rau, und schließlich erteilte sie schroff Befehle
. Ist das wirklich Thriss?
Der Blutverlust erschwerte Shar zunehmend die Konzentration, und er fragte sich, ob er halluzinierte. Dann kniete Leilo neben ihm. Sie schien ihn überzeugt zu haben. Mit zitternden Händen befestigte der Bolianer einige Sensoren an Shars Stirn. Shar sah Schweißperlen in Leilos Gesicht. Er hatte Angst. Thriss nicht. Als sie entschlossen ein Laserskalpell aus ihrem Beutel nahm, sah er, wie sich ihr Mund bewegte, hörte aber nur sein eigenes pochendes Herz. Etwas drückte sich gegen seinen Nacken, dann wurde alles taub. Zeit verstrich in endlos scheinenden, warmen Minuten, bis ihm plötzlich der ätzende Geruch versengten Fleisches den Atem raubte und er wusste, dass der Arm fort war
.
Thriss weinte still. Sie lag auf seiner Brust. Er spürte ihr weiches, schönes Haar an seinem Nacken. »Du bist mein Ganzes
, Zhavey
.«
Shars Sicht verschwamm. Er ahnte, dass seine Zeit mit ihr verging, und tief in Thantis’ Erinnerungen schrie er auf, flehte um mehr …
»Leilo, hilf mir, sie aufzuheben«, befahl Thriss. »Wir müssen sie ins Hospital bringen. Sie braucht eine Transfusion!«
Der Rauch wich Dunkelheit. Shar öffnete die Augen
.
Er war zurück.
Thantis half ihm, sich aus dem Rückblicksystem zu befreien. Als das letzte Kabel abgeklemmt war, stand er auf. Wie sie sah auch er zu Boden.
»Ich wusste gar nicht, wie stark sie war«, flüsterte Shar schließlich. »Sie hatte einen starken Willen, das ja, aber diese Befehle erteilende, zuversichtliche
zhen
in deinen Erinnerungen … Die Thriss, die ich kannte, wäre unter einer Belagerung durch die Jem’Hadar zerbrochen.« Er hielt inne und dachte daran, was er in Thantis’ Gedächtnis gesehen hatte. »Zumindest dachte ich, ich hätte sie gekannt.«
»Ihre Medizinerkollegen respektierten sie, trauten ihr. In ihrer Gesellschaft blühte sie auf und wurde selbstsicherer. Wäre sie Andor länger fern geblieben, wäre sie auch die geblieben, die du in meinen Gedanken sahst. Ich hätte sie ermutigen sollen, für die Dauer deiner Reise in den Gamma-Quadranten zu mir nach Betazed zurückzukehren. Stattdessen ließ ich mich von Charivretha überzeugen, dass Thriss zu ihren Bündnispartnern gehöre.« Nachdenklich brach sie ab. »Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich wollte, dass meine
Zhei
war, wie Andorianer sein sollen. Ich war zu stolz zuzugeben, dass die Wünsche unserer Welt zu viel für sie waren.«
Die Nacht war über den Klansitz hereingebrochen.
Eine Stunde vor der Entsendung hätte sich Prynn eigentlich an der Schlafhalle mit Shar und Phillipa treffen und mit ihnen zum Turmhügel gehen sollen. Nun, da Thia zu ihrer Gruppe gehörte, war sie sich nicht sicher, ob sie die Einladung entsprechend ausweiten durfte. Doch Shar fehlte ohnehin. Seit er zu Thantis gegangen war, so erfuhr sie, hatte niemand ihn gesehen. Prynn hoffte, ihn am Versammlungspunkt unter den wartenden Trauernden zu finden. Sie wollte Thantis nicht beleidigen und musste ihm unbedingt von Thias Kommen erzählen.
Nicht, dass Thia negativ aufgefallen wäre. Der anfängliche Schock über den Bruch mit ihren Bündnispartnern hatte sich ein wenig gelegt. Während sie sich um Thias Wunden kümmerte, hatte Prynn sie daran erinnert, dass dieser Bund trotz allem
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