St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
wie eine lang entbehrte Ruhe in ihn zurückkehrte. Madeline verließ ihn nicht, weil sie sich vor ihm fürchtete. Und wenn sie nicht diese Vision gehabt hätte, würde sie zu ihm zurückkehren und ihn akzeptieren. Ihn vielleicht sogar lieben ...
Natürlich konnte er seinem Tod nicht entgehen. Aber in der wenigen Zeit, die ihm noch blieb, wollte er nichts unversucht lassen, Madeline zu finden.
Doch ihm kam ein weniger angenehmer Gedanke. Wenn Madeline glaubte, sie würde ihm den Tod bringen, hatte sie die Vision nicht in aller Klarheit erblickt, und damit wüsste sie auch nichts von der Gefahr, in die sie selbst geraten würde.
Und mit einem Mal wurde ihm so manches klar: die geheimnisvolle Frau, welche Fitzleger gesehen hatte, Romans Kauf von Lost Land und das Auftauchen seines merkwürdigen Freundes Yves de Rochencoeur ... Eines stand jedoch absolut fest: Madeline war nicht die Feuerfrau!
Anatole setzte sich in Bewegung. »Ich muss meine Frau finden.«
»Nein!«, rief Fitzleger. »Genau das dürft Ihr nicht! Versteht doch, Madeline will Euch schützen!«
»Das hat sie bereits.«
Bevor die beiden ihn aufhalten konnten, rannte der Burgherr schon aus dem Arbeitszimmer, durch die Burg und hinaus auf den Hof...
Dicker Nebel hatte sich über das ganze Land gelegt, und Anatole blieb stehen. Der Dunst in der Vision war also nicht bloßer Zufall gewesen.
Er hoffte, dass ihm wenigstens noch etwas Zeit zur Verfügung stünde, aber ihm schwante, dass die Prophezeiung schon bald in Erfüllung gehen würde. Sicher noch heute, vielleicht vor Ablauf dieser Stunde. Der Burgherr stürmte zum Stall und rief schon von weitem, dass man den Hengst satteln solle. Die Hunde bellten unheimlich und unsichtbar durch den Nebel. Ranger gebär-dete sich wie wahnsinnig und wollte unbedingt mit. Fast so, als ahnte er, was seinem Herrn bevorstand ... Anatole schickte seine besonderen Sinne aus. Zum Dorf. Zum Pfarrhaus. Zu Madeline. Doch sie hielt sich nicht mehr dort auf. Endlich wurde der Rappe aus dem Stall geführt, und St. Leger saß sofort auf. Aber er konnte noch nicht los, weil Marius auftauchte und sich ihm in den Weg stellte. »Bei der Liebe Gottes, Anatole! Fitzleger ist außer sich und steht kurz vor einen Kollaps. Ihr müsst -« Der Arzt unterbrach sich, und beide St. Leger spürten das Gleiche. Einer aus ihrer Familie würde heute sterben. »Ich kann meinem Schicksal nicht entrinnen. Kümmert Ihr Euch um den Reverend, ich habe noch einiges zu erledigen, ehe ...«
Doch Marius wollte noch nicht aufgeben. »Was würdet Ihr denn tun, Cousin?«, fragte Anatole. »Wenn Ihr die Chance erhieltet, Eure Anne noch einmal in den Armen zu halten, würdet Ihr dann zögern? Selbst wenn es Euch das Leben kostete?«
Der Arzt sagte nichts, aber der schmerzliche Blick in seinen Augen sprach Bände. Marius trat beiseite. Anatole wendete das Ross und preschte in den dichten Nebel hinaus. Er lenkte den Hengst zu den Klippen, achtete darauf, nicht vom Weg abzukommen, und versuchte, sich auf Madeline zu konzentrieren.
Nur ein kleines Licht, kaum fassbarer als ein Regenbogen. Sie entzog sich ihm, doch das Licht reichte aus, um ihm zu zeigen, wo sie sich befand - und in welcher Gefahr sie schwebte.
Seine Gemahlin bewegte sich auf den Ort zu, den sie nicht aufsuchen durfte. Lost Land.
Der Nebel umringte Madeline wie eine Mauer, und die Kälte kroch selbst unter den dicken Umhang. Sie packte den kleinen Handkoffer fester, in den sie das Notwendigste geworfen hatte.
Ihr kam es vor, als würde der Nebel plötzlich noch dichter und kälter. Ihr Verstand sagte ihr, dass die Nähe des Meeres dafür verantwortlich sei, doch ihr Instinkt warnte sie, dass sie sich Lost Land näherte.
Sie hatte einen Fischer gefunden, der für ein paar Münzen seine Furcht vor diesem Ort überwunden und sie in die Bucht gerudert hatte, von der aus es nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel war.
Die Ruinen des alten Manors ragten vor ihr auf, und Madeline fragte sich, welcher Irrsinn sie hierher getrieben haben mochte. Die Stätte erweckte den Eindruck, als sei hier selbst der Frühling zu Grunde gegangen. Die junge Frau hatte sich stets für eine vernünftige und mutige Person gehalten, aber davon war jetzt nicht mehr viel übrig. Mehr noch, sie zitterte vor Furcht. Sie musste sich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen, vielleicht trieb sie auch die Verzweiflung an. Wie weit musste sie fortlaufen, um der Prophezeiung zu entkommen?
Irgendwann war Madeline zu dem Schluss
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