St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
gelangt, dass London noch viel zu nah war. Am besten reiste sie über das Meer, um in der Fremde über ihre nächsten Schritte nachzudenken.
Nur ein Mann würde ihr dabei helfen können: Yves de Rochencoeur. Der Franzose hatte ihr bei seinem letzten Besuch versprochen, ihr in jeder Weise behilflich zu sein, wenn sie ihrem Gemahl entfliehen wolle. Madeline wusste nicht, ob sie darauf viel geben konnte. Aber hatte sie denn eine andere Wahl? Auf Fitzleger war kein Verlass mehr, denn ihm war Anatole ebenso wichtig wie sie, und er würde ihm sicher weiteres Leid ersparen wollen. Außerdem hatte sie den Eindruck gewonnen, er habe sie bei sich festhalten wollen, bis irgendein Wunder geschähe und die Prophezeiung sich als unwahr erwiese. Eine törichte Vorstellung, der sie sich allerdings auch eine Weile hingegeben hatte.
Doch als sie an diesem Morgen aufgewacht war und den Nebel gesehen hatte, wusste sie, dass sie fort musste. Madeline hatte dem Reverend aufgetragen, den Burgherrn davon in Kenntnis zu setzen, dass sie sofort abreisen wolle.
Sie hatte dem alten Mann hinterher gesehen, wie er sich auf seinen schweren Weg gemacht hatte, und bezweifelte, dass der Pastor noch lange in der Lage sein würde, Seiner Lordschaft etwas vorzumachen.
Solange Anatole glaubte, Madeline habe Angst vor ihm, würde er sich ihr nicht nähern. Aber wenn Fitzleger die Wahrheit nicht länger für sich behalten konnte ... Die junge Frau wusste, dass Eile geboten war. Zunächst hatte sie überlegt, sich an Hadrian zu wenden, der viele Schiffe sein eigen nannte. Aber die St. Legers waren ein eingeschworener Clan...
Nein, sie durfte dieses Risiko nicht eingehen. Auch konnte sie sich nicht an ihre Familie wenden. Die Eltern und Geschwister würden glauben, ihr Geist habe sich getrübt, wenn sie anfing, ihnen von alten Sagen, geheimnisvollen Kräften und Visionen zu berichten. So war sie zu dem Schluss gelangt, dass ihr nur eine Hoffnung blieb - der französische Architekt. Madeline stapfte an den rußgeschwärzten Mauerresten vorbei, und wegen des Nebels hatte sie große Mühe, das Cottage zu entdecken, in dem Yves untergebracht war. Seit einigen Minuten hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein. Kein bedrohliches Wesen war hinter ihr her, sondern etwas, das ihr Liebe entgegensandte. Anatole.
Wie weit reichten seine Kräfte wirklich? Madeline musste sich zwingen, ihr Herz nicht nach ihm rufen zu lassen. Ein scharfer Knall ertönte, wie ein abbrechender Ast, oder wie ... Erschrocken drehte sie sich um und bemerkte, dass sie nur noch wenige Yards von dem Cottage entfernt war. Erfreut rannte die junge Frau darauf zu, nur um nach wenigen Schritten abrupt stehen zu bleiben. Eine graue Stute stand angebunden vor dem Häuschen, und Madeline glaubte zu wissen, wem dieses Pferd gehörte.
Roman.
Ihr sank das Herz bei der Vorstellung, sein spöttisches Lächeln ertragen zu müssen. Verdammt, warum hatte sie vorher nicht daran gedacht, dass er hier auftauchen könnte. Immerhin war Yves der Architekt, der ihm auf diesem Land seinen Wohnsitz erbauen sollte.
Roman hasste Anatole, und wenn er erführe, dass Madeline am Tod seines Vetters maßgeblich beteiligt sein würde, würde er in seiner teuflischen Art alles unternehmen, um die Prophezeiung in Erfüllung gehen zu lassen. Die junge Frau überlegte, sich zu verstecken, bis Roman wieder fort war. Doch da flog die Cottagetür auf, und er kam heraus.
Sie wollte in den Nebel flüchten, als ihr auffiel, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Roman torkelte wie ein Betrunkener und musste sich am Pfosten des Gartentors festhalten. Er hatte die größte Mühe, die Zügel seines Pferdes loszubinden, und als ihm das endlich gelungen war, brach er auf die Knie.
Madeline sah einen dunkelroten Fleck, der sich auf seinem Umhang ausbreitete.
Entsetzt lief sie zu ihm, um Hilfe zu leisten. Er hob den Kopf und starrte sie aus glasigen Augen an. »Cousine? Was -«
Roman kippte vornüber. Sie versuchte, ihn auf den Rücken zu rollen. Aber er schob sie mit seiner letzten Kraft fort. »Verschwindet von hier!«
»Aber Ihr seid verletzt!«
»Keine Zeit mehr ... für Fragen ...« keuchte er. »Steigt auf mein Pferd ... holt Hilfe.«
Das würde Roman nicht durchstehen, und sie konnte ihn doch nicht einfach hier liegen lassen.
Plötzlich riss die Stute den Kopf hoch, wieherte laut und stürmte reiterlos davon. Der Blutgeruch musste sie wohl erschreckt haben ... oder etwas anderes. Madeline spürte ihn hinter sich stehen,
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