St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
interessiere, wolltet Ihr sagen, nicht wahr? Nun, dies ist auch nicht meine Welt, sondern war die meines Vaters«, entgegnete Anatole mit einer Bitterkeit, die sie ebenfalls nicht verstehen konnte.
»Nun, wie dem auch sei, die Sammlung ist großartig, und ich glaube, ich werde hier so manche Stunde verbringen.« Das schien den Burgherrn noch mehr in Rage zu versetzen. So als könne selbst die Leiter das spüren, fing sie an, heftig zu wackeln. Mit einem lauten Schrei versuchte Madeline, sich an den Regalen fest zu halten, bewirkte damit jedoch nicht mehr, als etliche Bände durch die Luft fliegen zu lassen.
Schließlich konnte sie sich nicht mehr halten und fiel auf Anatole. Für einen Moment fühlte die Braut sich benommen und hilflos, wie sie da an seiner Brust lag, doch dann stellte St. Leger sie auf den Boden, ohne danach die Hände wieder von ihren Hüften zu nehmen. »Ihr werdet hier keine Minute verbringen«, knurrte er. »Nicht wenn Ihr darüber Eure Pflichten als Ehefrau vernachlässigt.«
»Welche Pflichten?«, fragte sie in ehrlichem Erstaunen. »Die in meinem Bett.«
Seine harte Offenheit brachte ihre Wangen zum Glühen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nur noch Hose, Stiefel und Hemd trug. Anatole erschien ihr wie ein Kriegsfürst, der sich für die Schlacht zurechtgemacht hat. Aber sie war nicht sein Feind.
»Tut mir Leid«, sagte Madeline. »Ich bin in die Bibliothek gekommen und habe hier vollkommen die Zeit vergessen. Auch war ich noch gar nicht müde.«
»Ich wollte auch nicht, dass Ihr zum Schlafen in mein Bett kommt.«
»Das weiß ich.« Die junge Frau hob den Kopf und fand genug innere Ruhe, um ihn anzusehen. »Und jetzt habt Ihr mich gesucht, um mich über die Schulter zu werfen und hinaufzutragen?«
»Wenn es sein muss.«
»Das wird nicht nötig sein. Ich bin bereit, mich zu unterwerfen.«
»Gut.« Anatole riss sie an sich und küsste sie mit einer Heftigkeit, als wolle er sie erobern. Sein Versprechen, sanfter zu sein, schien nicht lange gehalten zu haben, dachte die Braut mit großer Trauer.
Aber sie hielt tapfer wie eine Märtyrerin stand, auch wenn ihre mangelnde Erwiderung seiner Küsse seine Leidenschaft nur noch mehr anzustacheln schien. Seine Zunge brach durch ihre Li ppen und fiel mit einer verzweifelten Wildheit in ihren Mund ein, was die widerstrebendsten Gefühle in ihr auslöste. Zum einen wollte sie auf der Stelle vor ihm davonlaufen, zum anderen noch mehr mit ihm verschmelzen.
Doch als eine seiner Hände sich auf eine ihrer Brüste legte, gewann die Panik die Oberhand. Eine solche Berührung war ihr nun wirklich zu intim. Sie fing an, sich zu wehren, konnte sich schließlich befreien und wich vor ihm zurück.
Anatole folgte ihr. Allein schon sein düsterer Blick schien ihr jeden Fluchtweg zu versperren.
»Ich werde Euch bekommen, Madeline«, sagte er, »denn auf diese Nacht habe ich zu lange gewartet.«
»Ich auch«, entgegnete sie. »Aber offensichtlich haben wir uns verschiedene Vorstellungen davon gemacht.«
»Ja, zweifelsohne.«
Madeline keuchte erschrocken, als seine Rechte in ihr Mieder fuhr. Aber er zog nur das Medaillon hervor und hielt es ihr anklagend vors Gesicht.
»Warum tragt Ihr dieses gottverwünschte Ding immer noch?«
Woher wusste er, dass sie das Porträt wieder an sich gebracht hatte? Als sie sich erinnerte, wie brutal er das Bildnis beim letzten Mal behandelt hatte, riss sie es ihm rasch aus der Rechten und hielt es mit beiden Händen fest. »Weil es mir gefällt«, antwortete sie. »Das Bild ist wunderschön gemalt.«
»Und ich dulde nicht, dass meine Frau das Porträt eines anderen mit verliebten Augen anglotzt.« Seine Rechte schloss sich um ihre Handgelenke.
»Das Bildnis stellt keinen anderen dar, sondern ist Euch sehr ähnlich.«
»Stellt Euch nicht so närrisch an, verdammt noch mal! Jeder kann erkennen, dass wir nichts gemein haben.«
»Dann solltet Ihr den Künstler mit einem Fluch bedenken und nicht mich!«
»Bei Gott, das habe ich. Seit ich dieses Porträt angefertigt -« St. Leger unterbrach sich rasch und verwünschte sich leise, weil er sich so unbedacht verraten hatte. Madeline hatte verstanden und starrte ihn verwundert an. »Ihr habt dieses Porträt gemalt?«
Anatole gab ihr keine Antwort. Scham erfüllte ihn, und er ließ ihre Handgelenke los. Die junge Frau warf einen raschen Blick auf das Bildnis, da sie sich nicht vorstellen konnte, wie er mit seinen groben Fingern etwas so Feines erschaffen haben könnte. Sollte
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