St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
Haar und fuhr ihm über die Wange, auf der die Bartstoppeln eines ganzen Tages sprossen.
»Obwohl man Euch noch ein wenig zähmen müsste«, lächelte sie. »Aber das ließe sich leicht mit einer Schere und einem scharfen Rasiermesser bewerkstelligen.«
»Nur hiergegen ist kein Kraut gewachsen«, entgegnete er und berührte seine Narbe.
Die junge Frau schob seine Finger fort und strich über die gezackte weiße Linie. »Sie passt zu Euch, diese Kriegernarbe. Sicherlich habt Ihr sie Euch bei einem tödlichen Schwertkampf geholt.«
»Das geschah vor so langer Zeit, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann.« Er mied ihren Blick, nahm aber ihre Hand und küsste die Fingerspitzen. Wenn sie wüsste, dachte Anatole.
Dabei wäre sie seinen Geheimnissen verdammt nahe gekommen, wenn er nur ein paar Minuten später heimgekehrt wäre und nicht gleich im Arbeitszimmer den fehlenden Schlüssel bemerkt hätte.
Wie lange würde er noch in der Lage sein, ihr etwas vorzumachen?
Und würde sein größter Wunsch danach noch in Erfüllung gehen können? Dass sie ihm ihr Herz in der unsterblichen Liebe schenkte, wie das alle St.-Leger-Frauen in der Vergangenheit getan hatten?
Aber warum sich mit solchen Hoffnungen quälen? Wie konnte er sich je einbilden, dass Madeline ausgerechnet einem wie ihm ihr Herz schenken würde? Seine Lust auf sie war noch gewachsen, seit er sie berührt und genossen, seit er sich in sie versenkt hatte. Nie zuvor hatte Anatole bei jemandem Rat gesucht, doch jetzt wünschte er, er kenne einen weisen Menschen, der ihm die Künste beibrächte, deren es bedurfte, um eine Lady zu verzaubern.
Während er solche Gedanken hegte, spürte er einen eisigen Hauch. Über Madelines rote Locken hinweg entdeckte St. Leger, wie an der Türklinke gerüttelt wurde, und schon spürte er Prosperos Präsenz auf der anderen Seite. »Verdammt, ist es hier zugig. Wir sollten zurück ins Wohngebäude, wo es wärmer ist.«
Er eilte mit seiner Braut davon, ehe der Ahn auf die Idee verfiel, mit ihm üblen Schabernack zu treiben. Als sie den Gang verließen, hoffte er, nur er habe das gespenstische Gelächter gehört.
Anatole blieb erst stehen, als sie den neuen Teil des Anwesens erreicht hatten. Der gebohnerte Boden und das polierte Treppengeländer erschienen ihm als Hort der Normalität.
Madeline legte ihm eine Hand auf die Brust. »Kein Wunder, dass es Euch so gefroren hat. Ihr müsst aus den nassen Sachen raus.«
St. Leger atmete schwer ein. Ihre Berührung und ihr Vorschlag, sich zu entkleiden, mochten so unschuldig wie ein Frühjahrsregen sein, aber sie hatten die furchtbarsten Auswirkungen auf ihn. Schon stürmten Bilder durch seinen Geist, sie auszuziehen, ihren Körper an sich zu pressen, mit ihr auf die kühlen Laken zu sinken, und ... Nein! Er hatte den festen Entschluss gefasst, sich in den Mann zu verwandeln, den Madeline lieben konnte. Und das schloss eindeutig aus, sie am späten Nachmittag wie ein Barbar zu packen und über sie herzufallen. Der Burgherr glaubte jetzt zu wissen, was er in der Hochzeitsnacht falsch gemacht hatte. Er war viel zu direkt vorgegangen und hatte nur an seine körperlichen Bedürfnisse gedacht. Seine Braut brauchte mehr Zeit, um auf seine Berührungen mit Leidenschaft reagieren zu können. Aber er war eben kein Prospero, und über den Charme seines Großvaters verfügte er auch nicht. Doch irgendwie sollte es auch ihm möglich sein, das zu lernen, was er wissen musste. Vorsichtig schob er ihre Hand von seiner Brust.
»Ich bin heute weit geritten«, erklärte er, um das Gespräch in sicherere Bahnen zu lenken, »und war auch im Pfarrhaus, wo ich mit dem Reverend eine Tasse Tee getrunken habe.«
Schon wieder eine Lüge. Würde er Madeline jemals die Wahrheit sagen können. So weit Anatole zurückdenken konnte, hatte er Tee nie auch nur angerührt. In Wirklichkeit hatte er Fitzleger davon berichtet, nichts über die geheimnisvolle Frau auf dem Friedhof herausgefunden zu haben.
Doch Madeline schien mit dieser Erklärung zufrieden zu sein. »0 ja«, meinte sie, »der Reverend und ich haben in London so manchen Nachmittag mit Tee und angenehmen Gesprächen verbracht. Dabei ging es um alles Mögliche, von unseren abweichenden Übersetzungen des Vergil bis hin zu unseren Ansichten über die neuen französischen Philosophen.«
»Ich fürchte, Fitzleger und ich debattieren weniger und streiten dafür umso mehr.«
»Ihr habt Euch mit dem Gottesmann gestritten?«
»Ach, so schlimm war es
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