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St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau

St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau

Titel: St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
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ins Haus hineinsehen konnte. Der Kerzenschein bestrahlte die pfefferminzgrüne Spitalsfield-Seide, die an den Wänden hing und mit der auch die Sofas und Sesseln bezogen waren, auf denen Lavendel farbene und mit Rosen bestickte Kissen lagen. Die Düsternis, die so lange dieses Anwesen beherrscht hatte, war zurückgewichen und hatte den langen und breiten, cremefarbenen Teppich, die marmorne Feuerstelle und das Pianoforte aus Kirschholz freigegeben.
    Der Salon von Leger Castle hatte viele Feste erlebt, von Tauffeiern, über Hochzeiten, Verlobungsbälle, Geburtstage bis zu Gesellschaften zur Ernteeinbringung oder zur Freude über den Untergang der Mortmains. Doch seit über einem Jahrzehnt hatte man den Raum nicht mehr genutzt. Wie oft hatte Cecily hier Freunde empfangen, spielte sie doch gern die Gastgeberin, so als suche sie dringend Gesellschaft, um den Schatten zu entgehen, die hier draußen über ihrem Leben hingen. Anatole hatte auch an diesen Festen teilgenommen, allerdings nur aus der Ferne. Manchmal war es ihm gelungen, der Obhut seines Lehrers Fitzleger zu entkommen und aus dem Torhaus zu entwischen, in dem man ihn untergebracht hatte und das ihm wie ein Gefängnis erschien, angezogen von hellem Kerzenschein, Geigenmusik und dem Klang von fröhlichem Gelächter.
    Als er jetzt von außen durch die Fenster schaute, kam er sich wieder so vor wie damals. Als Knabe hatte er sich ans Haus geschlichen und sich hinter einer Säule versteckt. Die Frauen in ihrer Abendgarderobe und mit ihrem Schmuck, die Männer in ihren vornehmen Anzügen - alle viel zu perfekt, um real zu sein.
    Doch am schönsten war das Paar am Klavier. Seine Mutter bediente die Tasten und sang mit ihrer Sopranstimme, und Vater begleitete sie mit seinem Tenor. Während der Knabe in seinem dunklen Versteck lauschte, war ihm das Herz vor Stolz darüber angeschwollen, solche wunderbaren Wesen seine Eltern nennen zu dürfen. In solchen Momenten glaubte er, dass sie ein kleines Stück auch ihm gehörten.
    Viel zu rasch hatte der Butler dann angekündigt, dass serviert sei, die Musik fand ihr Ende, und die Pärchen verließen untergehakt den Salon.
    Der kleine Anatole presste die Nase an die Scheibe, um einen Blick darauf zu erhaschen, wie Vater Mutter hinausführte. Dann schloss der Butler die Flügeltür, und vor dem Knaben breitete sich nur noch das leere Klavierzimmer aus. In jenen Momenten fühlte er sich noch einsamer und ausgeschlossener als zuvor. Am liebsten hätte er die Scheiben zerschmettert, doch sein Lehrer hatte ihm beigebracht, wie man Gefühle kontrollierte ...
    Ranger rieb die kalte Nase an seiner Rechten. Der Burgherr blinzelte, um die Erinnerungen zu verscheuchen, und stellte verblüfft fest, dass er wieder genau vor dem Salon stand.
    Fluchend entfernte er sich rasch und schämte sich dafür, dass die Kindheitserinnerungen noch solche Macht über ihn besaßen. Anatole war kein kleiner Junge mehr, sondern inzwischen der Herr dieser Anlage und des ganzen umliegenden Landes.
    Er streichelte den alten Jagdhund, der nicht von seiner Seite wich, und hätte sich am liebsten wie in seiner Kindheit hingekniet, um ihn zu umarmen und seine Wärme zu spüren.
    St. Leger bückte sich tatsächlich, als Ranger zu bellen anfing und ihm damit anzeigte, dass jemand aus dem Haus gekommen war. Madeline.
    In einem Flüstern aus Seide und Rosenparfüm schwebte sie auf ihn zu.
    Ranger humpelte sofort zu ihr und ließ sich streicheln. Anatole fragte sich zerknirscht, wie lange sie wohl schon draußen war. Hatte sie ihn beobachtet? Er verbeugte sich steif vor ihr.
    Der Nachtwind bauschte ihr Kleid auf. Das grüne Seidenkleid mit den Rosetten an den Säumen war nach der vorherrschenden Mode vorn geschlitzt und zeigte eine Unmenge Unterröcke.
    Sie legte den Kopf schief und sah ihn verwundert an; eine Geste, die er seit ihrer Ankunft zu fürchten gelernt hatte. »Stimmt etwas nicht?«, fragte Madeline. Nein, eigentlich nicht; bis auf den Umstand, dass seine Frau entschieden zu viele Türen aufgestoßen hatte. Nicht nur in Castle Leger, sondern auch in seinem Innersten. »Was, zum Donnerwetter, soll denn nicht stimmen?«, entgegnete er knurrig.
    »Ich weiß nicht. Aber da ich Euch nirgendwo im Haus finden konnte, fing ich an, mir Sorgen zu machen.« Madeline hatte seine Abwesenheit bemerkt und sich darüber Gedanken gemacht? Das war immerhin mehr, als seine Eltern je für ihn getan hatten.
    Aber natürlich hatte sie nach ihm gesucht, sagte er sich dann bitter.

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