ST - New Frontier 5: Ort der Stille
…«
»Das werden wir tun«, versprach Si Cwan ihr, obwohl er natürlich keine Ahnung hatte, zu wessen Rettung er sich gerade verpflichtet hatte. Dann riet er einfach ins Blaue: »Ist sie Ihre Tochter?«
Sie antwortete nicht sofort. Als sie sprach, zitterte ihre Stimme, als würde sie ein großes Geheimnis preisgeben – so sehr, dass Si Cwan sie nicht genau verstand. »Halbe Physik geschockt?«, fragte er irritiert. »Was soll das bedeuten?«
»Sie sagte: ‚Ich habe für Sie gesorgt‘«, klärte Soleta ihn auf, aber sie machte nicht den Eindruck, als könnte sie mehr als Si Cwan mit diesen Worten anfangen.
Aus der Kehle der Frau drang ein tiefes Gurgeln. Blut quoll ihr aus Mund und Nase. Ihr Blick war stumpf geworden, sie schaute nicht mehr in den Himmel, sondern in sich hinein. Dann sagte sie noch etwas, das Si Cwan völlig entging. Schließlich war ein Röcheln zu hören, das er nur zu gut kannte … es war der letzte Laut, den ein Lebewesen von sich gab und der bei den unterschiedlichsten Spezies überraschend ähnlich klang. Sie zuckte nicht, ihr Kopf kippte nicht zur Seite, sie bewegte sich überhaupt nicht. Aber es war klar, dass sie gestorben war.
Si Cwan stand auf und schüttelte den Kopf über diese sinnlose Verschwendung von Leben. Er warf Kebron einen kurzen Blick zu und sah dann noch einmal genauer hin. Das Blut auf einigen seiner Wunden war verkrustet, und Kebron kratzte nun vorsichtig den Schorf ab. Si Cwan konnte es nicht glauben. Darunter war die Haut völlig abgeheilt.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es kein Blut ist«, sagte Kebron, als er Cwans Blick bemerkte. »Es ist ein spezielles Sekret, das Brikar absondern können, um die Wundheilung zu beschleunigen.«
»Das habe ich noch nie zuvor bei Ihnen beobachtet.«
»Es ist … keine einfache Sache. Aber ich hielt es in diesem Fall für notwendig.«
»Weil Sie sehr schwer verletzt waren?«
»Ja«, antwortete Kebron nur, und Si Cwan wusste, dass er nicht mehr zu diesem Thema sagen würde.
Dann wurde Si Cwan wieder leicht schwindlig. Er ärgerte sich über diese Schwäche, aber er wusste, dass er immer größere Schwierigkeiten bekommen würde, sich auf den Beinen zu halten. Er bemühte sich, es völlig normal erscheinen zu lassen, als er sich wieder auf den Boden hockte und die Arme um die angezogenen Knie schlang. »Diese Sinnlosigkeit …«, sagte er. »Soleta, haben Sie noch jemanden in der Nähe gesehen? Vielleicht einen Thallonianer?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nur diese Frau. Ich vermute, dass die Hunde gezielt diese Frau aufgegriffen haben, um sie zu foltern, während gleichzeitig der Angriff auf die übrige Stadt erfolgte … vermutlich ausschließlich zu ihrem Vergnügen.«
»Aber warum? Warum diese Frau? Was sie gesagt hat – ‚Riella‘, ‚Ich habe für sie gesorgt‘ – das ergibt überhaupt keinen Sinn.« Er seufzte. »Konnten Sie verstehen, was sie als Letztes sagte?«
»Ja. Aber es klang auch nicht viel sinnvoller.«
»Was hat sie gesagt?«
»Ich glaube, sie sagte ‚Ort der Stille‘.«
Als er diese Worte hörte, waren Si Cwans Erschöpfung, seine Verzweiflung und seine Schmerzen mit einem Mal verschwunden. Er sprang auf und packte Soletas Schultern mit solcher Wildheit, dass sie leicht zusammenzuckte. »Sind Sie ganz sicher? Hat sie das wirklich gesagt? Hat sie tatsächlich vom ‚Ort der Stille‘ gesprochen?«
»Ich kann es mit einiger Sicherheit behaupten. Was …?«
Er ließ Soleta los und trat zurück. Seine Miene drückte große Besorgnis aus. Soleta und Kebron warfen sich einen verblüfften Blick zu. »Cwan … was ist?«, verlangte Kebron zu wissen. »Kennen Sie diesen … ‚Ort der Stille‘?«
Si Cwan betrachtete seine Gefährten eine Weile, bevor er antwortete. »Nein. Ich habe noch nie davon gehört.« Damit wandte er sich ab und entfernte sich mit schnellen Schritten.
»Interessant«, sagte Kebron nachdenklich. »Wer hätte gedacht, dass Si Cwan ein so miserabler Lügner ist?«
VIII
Xyon hatte nicht die geringste Ahnung, was er von ihr halten sollte – vor allem, als sie schreiend erwachte.
Das blasshäutige Mädchen fuhr abrupt aus dem Bett hoch, in dem Xyon normalerweise schlief. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, doch als er zu ihr ging und eine Hand vor ihrem Gesicht bewegte, schien sie ihn überhaupt nicht wahrzunehmen. »Beruhigen Sie sich!«, rief er, doch sie machte keine Anstalten, ihm Folge zu leisten. Sie schrie und heulte und schlug um sich. Sie tat es so heftig
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