ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
»Was ist das?«, fragte sie wieder.
»Um Himmels willen«, sagte Leonard, »mach es einfach auf und finde es heraus.«
Lynn nahm den Deckel ab. Darunter befand sich eine Schicht aus baumwollähnlichem Material. Als sie es anhob, entdeckte sie ein goldenes Armband, in das ein halbes Dutzend ovaler roter Steine eingefasst war. »Ach du meine Güte«, stieß sie völlig überwältigt hervor. »Das ist wunderschön.« Sie ließ ihre Finger unter das Armband gleiten und nahm es heraus. Dann betrachtete sie es genauer und legte das Kästchen auf ihre Geburtstagskarte.
»Das sind Granate«, erklärte Leonard.
»Mein Geburtsstein«, wusste sie und sah ihn lächelnd an. »Und deiner.« Leonard hatte ebenfalls im Januar Geburtstag, nur zehn Tage nach ihr. Er erwiderte das Lächeln. Ihre Reaktion schien ihn zu freuen. Lynn besaß so gut wie keinen Schmuck. Bis auf ihren und Phils Ehering, die beide ihre Mutter ihnen geschenkt hatte, nannte sie nur noch ein Medaillon mit einer zerbrochenen Kette sowie ein Paar Ohrringe aus Buntglas ihr Eigen. Ersteres hatte ihr ihre Mutter hinterlassen, Letzteres war ein Geschenk ihrer Tante Louise zu ihrem achtzehnten Geburtstag gewesen. Doch kein Schmuckstück in ihrem Besitz war so schön wie das Armband, das Leonard ihr gerade geschenkt hatte. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Nun ja, du könntest ‚Danke‘ sagen«, schlug Leonard vor.
»Danke«, sagte Lynn. Sie trat vor und umarmte ihn. »Danke, danke, danke.« Sie drückte ihn fest und war für die vielen Jahre seiner Freundschaft dankbar, besonders seit Phils Tod.
Dann ließ sie von ihm ab und sah ihn an. Leonard lebte nun schon seit fast siebzehn Jahren in Hayden und sah aus, als wäre er kaum gealtert. Die Falten in seinem Gesicht waren vielleicht ein wenig tiefer geworden, aber sein dunkles Haar wies lediglich an den Schläfen etwas Grau auf. Obwohl er in wenigen Tagen neunundfünfzig werden würde, wirkte er so vital wie damals, als er mit zweiundvierzig in die Stadt kam. Tatsächlich schien er sogar gesünder, da er die Tindal’s Lane zu jener Zeit mit einem Arm in einer Schlinge und einer Schnittwunde im Gesicht entlanggehumpelt war.
Bevor sie sich ihrer Entscheidung bewusst wurde, ging Lynn auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf Leonards. Sie schloss ihre Augen und spürte die weiche Wärme seines Mundes. Einen atemberaubenden Moment lang erwiderte er den Kuss, doch dann fühlte sie seine Hände an ihrer Hüfte, die sie sanft aber bestimmt von ihm wegschoben.
»Lynn«, sagte er.
»Leonard«, erwiderte sie und trat vor, um ihn erneut zu küssen. Er hielt sie davon ab und wich zurück. »Leonard, ich dachte …«, begann sie, doch dann wurde ihr klar, dass sie gar nicht wusste, was sie dachte. Sie wusste lediglich, was sie fühlte, und glaubte – oder
hatte
geglaubt –, dass Leonard es ebenfalls empfand.
»Es war nur ein Geschenk«, sagte er.
»Was?«, entfuhr es ihr schockiert. Sie öffnete ihre Hand, um das Armband zu betrachten. »Es geht hier nicht um mein Geburtstagsgeschenk. Es geht um uns.«
»Oh, das tut mir leid«, meinte Leonard. »Ich ging davon aus, du dachtest vielleicht, dass ich … dass ich dir Schmuck schenke und es bedeutet … ich weiß auch nicht.«
»Ich denke, es bedeutet, dass ich dir wichtig bin«, sagte Lynn. »Ich denke, es bedeutet, dass du versuchst, mich glücklich zu machen.«
»Natürlich bist du mir wichtig«, versicherte er. »Aber ich wollte nicht, dass du mich küsst.«
»Leonard«, sagte sie und legte das Armband zurück in das Kästchen. »Ich habe dich nicht geküsst, weil du mir Schmuck geschenkt hast. Ich habe dich geküsst, weil ich es wollte.« Sie spielte mit dem Gedanken, noch mehr zu sagen und tat es dann auch. »Das will ich schon seit einer ganzen Weile. Es schien mir einfach der richtige Augenblick zu sein.«
»Lynn«, sagte Leonard langsam, »ich denke nicht, dass wir das tun sollten.«
»Warum um Himmels willen nicht?«, fragte sie, doch sie glaubte, die Antwort bereits zu kennen: Phil. Lynn seufzte. Dann griff sie nach der großen Kiste und stellte sie vom Sofa auf den Boden. Als sie auf einer Seite des Sofas Platz nahm, deutete sie auf die andere. »Setz dich zu mir«, bat sie.
Leonard nahm ihren Mantel von der Armlehne und legte ihn auf einen Stuhl. Dann setzte er sich so weit wie möglich von ihr entfernt auf das Sofa. »Mein Pa starb, als ich dreizehn war«, begann sie. »Danach gab es nur noch mich und Ma. Nun ja, da waren auch noch
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