ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
gehört. Doch dann fiel ihm wieder ein, dass er seine Nachrichten nicht abgerufen hatte, als er gestern Abend nach Hause gekommen war. Er streckte die Hand aus und betätigte den Hebel, um die Wiedergabe zu aktivieren. Wie sich herausstellte, erwartete ihn nur eine einzige Nachricht.
McCoy sah wenig überrascht zu, wie Tonias Bild auf dem Bildschirm erschien.
»Leonard, ich habe mich gefragt, ob du heute gerne mit mir zu Abend essen würdest«
, sagte sie. McCoy verspürte einen Anflug von Schuld.
»Wir haben uns in letzter Zeit nicht sehr oft gesehen, also … nun, ich vermisse dich.«
Sie senkte kurz den Blick, als wäre sie sich ihrer selbst nicht sicher. Als sie wieder aufsah, beendete sie ihre Nachricht schnell.
»Tja, das ist alles«
, sagte sie.
»Gib mir Bescheid.«
Tonia lächelte, doch es wirkte gezwungen, und dann wurde der Bildschirm schwarz. Einen Moment später erschien wieder die aktuelle Uhrzeit.
Bedauern wallte in McCoy auf. Er bereute es, Tonia nicht rechtzeitig geantwortet zu haben, und erkannte die Wahrheit in ihren Worten. Sie hatten in den letzten Wochen nicht viel Zeit miteinander verbracht. Da waren lediglich ein paar gemeinsame Mahlzeiten während des Aufenthalts der
Enterprise
in Denevas Orbit gewesen, und seit dem Aufbruch des Schiffes nach Sternenbasis 10 hatten sie sich nur einmal getroffen, um Spocks wiedererlangte Sehkraft mit einem Abendessen zu feiern.
McCoy seufzte und fühlte sich bereits erschöpft, auch wenn der Tag gerade erst begonnen hatte. In dem Wissen, dass er Tonia sofort kontaktieren und sie vielleicht sogar bitten sollte, mit ihm zu frühstücken, griff er nach einem anderen Hebel am Monitor. Dabei wollte er eigentlich gar nicht …
Das Türsignal erklang. McCoy ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken und vermutete, dass Tonia nicht hatte warten wollen, bis er sich bei ihr meldete, sondern stattdessen einfach beschlossen hatte, ihm einen Besuch abzustatten. Erneut überkam ihn Müdigkeit, und er rieb sich die Augen. Er konnte nur hoffen, dass das Ganze nicht in einen Streit ausarten würde, weil er sie letzte Nacht nicht mehr kontaktiert hatte. Doch wie dem auch sein mochte, er würde sie nicht einfach im Flur stehen lassen. »Herein«, rief er.
Die Tür glitt zur Seite, und erneut sah sich McCoy nicht wie erwartet Tonia, sondern Spock gegenüber. Der Erste Offizier trat ein, und die Tür schloss sich hinter ihm. »Doktor«, begann er, »ich würde Sie gerne um Ihre persönliche und medizinische Meinung in einer Angelegenheit bitten. Ich bin jedoch nicht bereit, dies auf offiziellem Weg zu tun.«
»Ihnen auch einen wunderschönen guten Morgen«, erwiderte McCoy mit gespielter Verärgerung. Als Spock nicht darauf reagierte und keine vollkommen logische Entgegnung oder wie auch immer gearteten Protest vorbrachte, sondern einfach nur reglos dastand, wusste der Arzt, dass der Vulkanier etwas Ernstes auf dem Herzen haben musste. »Was ist los, Spock?«, fragte er. »Sie wissen doch, dass Sie mit mir über alles reden können.«
»Ja, das ist mir durchaus bewusst, Doktor«, meinte Spock. »Es ist jedoch angemessen, dass ich Sie zuvor über meinen Wunsch informiere, diese Unterhaltung privat zu halten, da es um den Captain geht.«
»Ich verstehe«, versicherte McCoy und erhob sich. Er fragte sich, worüber genau Spock mit ihm reden wollte. »Nur zu. Was immer Sie mir erzählen, wird diesen Raum nicht verlassen.«
»Danke, Doktor«, sagte Spock. »Ich würde Sie gerne bezüglich des menschlichen Trauerprozesses befragen.«
»Ah, ich verstehe. Nun, ich bin sicher, Sie wissen, dass Trauer bei einem Menschen die Reaktion auf einen Verlust darstellt. Auf einer sehr grundlegenden Ebene kann man im Allgemeinen davon sprechen, dass es fünf Stufen der Trauer gibt: Verleugnung und Isolation, Wut, Verhandlung, Depression sowie Akzeptanz. In Wahrheit ist Trauer jedoch wesentlich komplexer. Sie besteht aus diversen steigenden und fallenden Prozessen, die diese Stufen in jeder beliebigen Reihenfolge beinhalten können, wobei es auch möglich ist, dass einige ausgelassen und andere wiederholt werden. In vielerlei Hinsicht ist es eine Erfahrung, die bei jedem Individuum einzigartig abläuft. Doch im Großen und Ganzen kann man wohl sagen, dass die meisten trauernden Menschen Ähnliches durchleben.« Der Arzt hätte diese Unterhaltung mit Spock eher vor Wochen erwartet, als Jims Bruder und Schwägerin gestorben waren. Während dieser Zeit hatte sich der Captain emotional
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