Staatsverschuldung
keynesianischen Programme die Krise eher verschärft als bekämpft haben, da die Ölpreisschocks die Angebotsseite betrafen, die Konjunkturprogramme aber auf der Nachfrageseite ansetzten.
Das Resultat war ein Anstieg der Schuldenstandsquote von rund 19 Prozent des Sozialprodukts Anfang der siebziger Jahre auf 40 Prozent zu Beginn der achtziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt setzte eine wirtschaftspolitische Umorientierung ein. Das Versagen des Keynesianismus in den siebziger Jahren bereitete den Weg für eine Renaissance eher klassisch orientierter wirtschaftspolitischer Konzepte, nach denen ein zu großes Engagement des Staates und zu hohe Staatsschulden wachstumshemmend wirken. Unter der Bezeichnung
Angebotspolitik
war diese Konzeption zumindest politisch ein Erfolg, indem sie in den Vereinigten Staaten Ronald Reagan und in Großbritannien Margaret Thatcher Wahlerfolge bescherte. In der Bundesrepublik berief sich die 1982 an die Macht gekommene Regierung Helmut Kohl auf dieses Konzept, wobei aber umstritten ist, ob sie es auch wirtschaftspolitisch umgesetzt hat. Zumindest gelang es der Regierung Kohl, die Schuldenstandsquote in den verbleibenden Jahren des Jahrzehnts bei etwa 41 Prozent zu stabilisieren. Doch mit der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 war diese Phase beendet.
Die
Wiedervereinigung
leitet die dritte Phase der deutschen Schuldengeschichte ein. Im Gefolge dieser historisch einmaligen Aufgabe stieg die Schuldenstandsquote rasch auf mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu Beginn des neuen Jahrtausends. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine die deutsche Einheit insgesamt bis zu 1,3 Billionen Euro gekostet hat[ 25 ]. Zwei schwere Rezessionen, gekoppelt mit der Finanzkrise im Jahr 2008, erhöhten den Schuldenstand dann weiter auf rund 80 Prozent des Sozialprodukts.
Mit der deutschen Einheit erlebte eine haushaltspolitische Finte eine neue Blütezeit – der Staat verstaut (man könnte auch sagen versteckt) immer mehr Schulden in so genannten
Sondervermögen,
umgangssprachlich auch als
Schattenhaushalte
bezeichnet. Der zweite Absatz von Artikel 115 des Grundgesetzes ermöglichte in seiner alten Form von 1969 die Errichtung von Sondervermögen, die nicht den Restriktionen bezüglich der Schuldenaufnahme unterliegen, die in Absatz 1 festgelegt sind. Sondervermögen sind nicht rechtsfähige Einrichtungen des Bundes,die für besondere Aufgaben geschaffen wurden. Diese Sondervermögen sind zwar Teil des Bundesvermögens, besitzen jedoch einen eigenen Haushalt. Sie sind buchhalterisch von den Bundesschulden getrennt, tauchen also in den offiziellen Zahlen zur Neuverschuldung nicht auf. Es gibt zahlreiche dieser Sondervermögen, die prominenteren darunter sind die folgenden[ 26 ]:
– der
Erblastentilgungsfonds,
in dem 1995 die Altschulden der ehemaligen DDR, die Schulden der Treuhandanstalt sowie Teile der Altschulden der ostdeutschen kommunalen Wohnungswirtschaft eingestellt wurden,
– der
Investitions- und Tilgungsfonds,
ein Sondervermögen zur Konjunkturbelebung, mit dessen Hilfe der Bund 2009 rund 7,5 Milliarden Euro für die Belebung der Konjunktur im Zuge der Wirtschaftskrise 2008 aufgebracht hat und der bis zu 25 Milliarden Euro aufnehmen darf,
– der
Finanztnarktstabilisierungsfonds
(2009: 36 Milliarden Euro), der wie der Investitions- und Tilgungsfonds eine eigene Kreditermächtigung besitzt und bis zu 90 Milliarden Euro aufnehmen kann – er dient der Stabilisierung der Finanzmärkte nach der Krise 2008.
Mit der 2010 verabschiedeten Schuldenbremse (siehe dazu Abschnitt V.I) wird die Auslagerung in solche Nebenhaushalte nicht mehr möglich sein. Allerdings wird befürchtet, dass der Staat über
Public Private Partnerships
(PPP) seine Ausgabentätigkeit ausweiten und die gesetzlichen Schuldengrenzen umgehen kann. Bei solchen «Partnerschaften» übernehmen private Unternehmen staatliche Aufgaben und werden vom Staat dafür entlohnt. Je nach Modell kann es dabei zu einer versteckten Staatsverschuldung kommen, beispielsweise wenn der Staat dem Erbauer und Betreiber eines öffentlichen Projektes feste Nutzungszahlungen über einen längeren Zeitraum garantiert.
Neben den bisher genannten Details spielt auch der föderale Aufbau des Staates in die Organisationseinheiten Bund, Länder und Gemeinden für die Staatsverschuldung eine bedeutende Rolle. Das Grundgesetz enthält in der
Finanzverfassung
wichtigeRegeln für die Ausgabenkompetenzen (Artikel 104a) sowie die Gesetzgebungs- (Artikel
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