Staatsverschuldung
einer Unterschreitung der Verschuldungsgrenze im jeweiligen Haushaltsjahr kommt es zu einer Gutschrift auf dem Kontrollkonto, eine Überschreitung führt zu einerBelastung des Kontos. Überschreiten die saldierten Belastungen des Kontrollkontos den Schwellenwert von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ist dieser Saldo konjunkturgerecht zurückzuführen.
Ausnahmeregelungen von den Regelungen der Schuldenbremse gibt es nur bei Naturkatastrophen oder in außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und welche die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Allerdings ist diese erhöhte Schuldenaufnahme im Ausnahmefall nur möglich, wenn der Bundestag mit einer Kanzlermehrheit zustimmt und wenn ein verbindlicher Tilgungsplan vorliegt.
Zusätzlich zur Schuldenregel wurde ein Frühwarnsystem zur Vermeidung künftiger Haushaltsnotlagen eingeführt. Ein Stabilitätsrat[ 69 ] soll außerdem die Haushalte von Bund und Ländern überwachen und im Falle drohender Haushaltsnotlagen ein Sanierungsverfahren mit der betroffenen Gebietskörperschaft vereinbaren und dessen Umsetzung kontrollieren.
Ein grundsätzliches Problem dieser Schuldengrenzen ist darin zu sehen, dass sie Glaubwürdigkeit voraussetzen und dass eine Verletzung dieser Regeln unmittelbare Konsequenzen für die betreffende Regierung haben muss. Hat eine Verletzung der Regeln keine Folgen für die Regierung, so gibt es wenig Grund zur Annahme, dass sie sich auch an diese halten wird.
Darüber hinaus wird an der neuen Schuldenbremse insbesondere kritisiert, dass derartige Regelungen ohne Objektorientierung das Wachstum einer Volkswirtschaft hemmen können[ 70 ]: Da sie nicht zwischen Konsum- und Investitionsausgaben unterscheiden, wird ein Staat mit einer solchen Schuldengrenze sich im Zweifelsfall für die politisch attraktiveren Konsumausgaben entscheiden und gegen wachstumsfreundliche Investitionen. Dieses Argument spricht für investitionsorientierte Schuldenregeln wie die frühere «Goldene Regel» des Artikel 115 GG. Dieser Gedankengang ist grundsätzlich korrekt, aber die Erfahrungen mit Artikel 115 GG haben gezeigt, dass eine Unterscheidung zwischen staatlichen Konsum- und Investitionsausgaben in der Praxis nicht funktioniert. Im Zweifelsfall erklärt die amtierendeRegierung Konsumausgaben zu Investitionsausgaben, um diese dann mit Schulden finanzieren zu können.
Ein gänzlich anderer Ansatz zur Begrenzung der Staatsverschuldung setzt direkt am demokratischen Prozess der Schuldenaufnahme an. Die Idee besteht darin, die Staatsverschuldung durch Schranken im parlamentarischen Prozess zu erschweren, beispielsweise indem man qualifizierte Mehrheiten für staatliche Verschuldung verlangt oder die Überschreitung einer bestimmten Schuldenschwelle von solchen Mehrheiten abhängig macht (vgl. z.B.[ 71 ]).
2. Entschuldung
Greifen die Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung nicht, kann die Schuldendynamik bis zur staatlichen Insolvenz führen. Wie bereits erörtert, kann diese Insolvenz entweder eine zeitliche Streckung der Schuldentilgung oder eine Kürzung der Zinszahlungen und Rückzahlungen beinhalten, oder beides. In jedem Fall wird der betroffene Staat nicht umhin kommen, seine Ausgaben zu reduzieren und seine Einnahmen zu erhöhen
(Konsolidierungspolitik).
Die Kürzung staatlicher Leistungen sowie erhöhte Belastungen der Bürger sind mit politischem Widerstand verbunden. Befindet sich der Staat zudem in einer Konjunkturkrise, können sich diese Maßnahmen zumindest kurzfristig als kontraproduktiv erweisen, da sie die Konjunkturkrise tendenziell verschärfen.
Diese Effekte sprechen eher dafür, auf eine Streichung der Schulden hinzuarbeiten als auf ein langwieriges Abstottern im Rahmen einer Umschuldung. Mittels einer Schuldenstreichung kann man die aufgelaufenen Altschulden für das Inland schmerzloser abbauen. Allerdings deutet eine staatliche Insolvenz auch darauf hin, dass die aktuelle Ausgaben- und Steuerpolitik des betreffenden Staates nicht nachhaltig ist und ohne gravierende Änderungen der bisherigen Politik eine weitere Krise der Staatsfinanzen vorprogrammiert ist. Insofern ist eine staatliche Insolvenz zwingend mit einer Reform der staatlichen Finanzpolitik verbunden. Nicht zuletzt ist eine solche Politik auch mit Blickauf die ausländischen Gläubiger erforderlich, die ja auf einen Teil ihres Geldes verzichten sollen. Kein Gläubiger ist bereit, auf Forderungen zu verzichten, wenn der Schuldner
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