Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
Vom Netzwerk:
du dich nur innerhalb des Walls bewegen, wie es dir gefällt.“
    Meldis starrte ihn zornig an, dann ließ sie sich aufs Bett fallen und rollte sich zusammen. Dabei wandte sie ihm den Rücken zu.
    Tessa tauschte mit Serre einen Blick. Er atmete tief durch und verließ das Haus.
    Tessa entzündete die Öllampen beim Webstuhl und nahm den Kessel, der neben der Kochstelle stand. Sie hängte ihn an die Kette und füllte ihn mit Wasser aus dem Krug. Heißes Wasser konnte man immer brauchen, und sei es auch nur, um ein paar Kräuter darin aufzukochen und den Raum mit Wohlgeruch zu füllen.
    Sie wusste, dass sie mit Meldis reden sollte, aber das kindische Verhalten des Mädchens zog ihr den letzten Nerv. Irgendwann würde sich die Kleine schon wieder beruhigen und das Bett verlassen. Und wenn nicht, dann war es Tessa auch egal.
    Meldis bewies tatsächlich Ausdauer in ihrem Trotz. Erst am Nachmittag bequemte sie sich, aufzustehen und das Haus zu verlassen. Tessa saß neben dem Eingang und genoss das Nichtstun und die warmen Sonnenstrahlen. Sie hatte sich mit den Frauen der Feste unterhalten, die neugierig auf ein Schwätzchen vorbeigekommen waren, um die neuen Bewohner des Hauses zu begutachten.
    Als sie erfuhren, dass Meldis Serres zukünftige Frau war, fielen die Reaktionen geteilt aus. Serre war offensichtlich nicht nur ein angesehener Mann, sondern auch bei allen beliebt. So manche Mutter hätte ihn gerne als Ehemann für ihre Tochter gesehen, und diese Hoffnung jetzt zerstört zu wissen, erfüllte sie nicht mit Freude. Meldis Verhalten würde hier sicher auf die Waagschale gelegt und ganz besonders genau beobachtet werden.
    Tessa überlegte, Meldis darüber zu informieren, kam aber zum Schluss, dass sie sich dann womöglich genau so benehmen würde, dass Serre gar nicht anders konnte, als die Verlobung zu lösen. Und so einfach wollte sie es Meldis nicht machen.
    Zwanglos und unauffällig würde sie bei der ersten Gelegenheit allerdings die Tatsache erwähnen, wie viele Mädchen jetzt enttäuscht waren, da Serre seine Wahl getroffen hatte. Frei nach dem Motto, ein herumliegender Knochen kam erst dann zu Wert, wenn ihn mehr als ein Hund haben wollte.
    Und diese Gelegenheit ergab sich, als Meldis sich mit verkniffener Miene neben ihr auf die Bank setzte und das Treiben ringsum betrachtete.
     „Ich finde das alles so aufregend. Wir sind direkt in der Jarlsfeste, ich hätte nie gedacht, dass ich überhaupt einmal hierherkomme und jetzt darf ich sogar eine zeitlang hier leben.“ Sie hoffte, dass sie nicht übertrieb, aber Meldis gähnte nur hinter vorgehaltener Hand.
    „Sieht nett aus hier“, kommentierte sie ohne Begeisterung.
    „Und die Menschen erst. Sie haben sich gleich nach uns erkundigt. Das war vielleicht ein Aufsehen, als ich erzählte, dass du Serre Eriksons zukünftige Frau bist.“
    Meldis sah sie fassungslos an. Alle Müdigkeit war verschwunden. „Alva, um Himmels willen, warum hast du das denn herumerzählt? Du weißt doch ganz genau, dass das noch gar nicht entschieden ist. Nicht nach Serres Versprechen.“
    Tessa erwiderte den Blick unschuldig. „Nun, wenn du ihn wirklich nicht heiratest, werden sehr viele Mädchen hier sehr erleichtert sein. Glaub mir, die Nachricht von Serres Hochzeit hat einige Tränen fließen lassen.“
    Gespannt wartete sie auf die Reaktion von Meldis. Aber sie wurde enttäuscht. Meldis zuckte nur mit den Schultern. „Dann wird er es verschmerzen, wenn ich ihn letztendlich doch nicht zum Mann nehme.“
    „Was ist so schlimm an ihm?“, fragte Tessa aufgebracht.
    Meldis begann die Geschichte von Serres gewalttätigem Vater auszubreiten, die ihre Angst und die Ablehnung einer Ehe mit ihm begründete.
    „Aber Serre selbst hat dir doch nichts getan? Er hat auch niemals einem anderen Menschen hier irgendetwas getan. Du kannst doch nicht ihn für das verantwortlich machen, was sein Vater getan hat.“
    „Aber natürlich! Sie sind alle wie ihre Väter. Und sie machen ihre Söhne zu ebensolchen Monstern. Und sind auch noch stolz darauf.“ Ihre Stimme bebte vor Hass und Verachtung. „Niemandem gelingt es, diese Kette zu zerschlagen. Das Los von uns Frauen ist es, diese Dinge zu dulden, ohne zu jammern und zu klagen. Unser Söhne zu Kriegern zu machen und unsere Töchter zu Frauen für Krieger.“
    Tessa schwieg. Diese Art von Einsicht hätte sie Meldis nicht zugetraut. Trotzdem war sie davon überzeugt, dass Serre – der wirkliche Serre – dem Mädchen niemals etwas antun

Weitere Kostenlose Bücher