Stachel der Erinnerung
gibt es die? Eigenartigerweise
gibt es auch einige Dinge, über die ich mit dir sprechen möchte.«
Sie ging
zum Kamin, und er versuchte, nicht darauf zu achten, wie der Schein des Feuers
glänzende Lichter auf ihr Haar zauberte, wie die elfenbeinfarbene Seide die
Sanftheit ihrer Haut noch betonte. Er versuchte, den harten Knoten zu
ignorieren, der sich bei ihrem Anblick in seinem Magen gebildet hatte.
»Willst du
beginnen, oder soll ich anfangen?« fragte sie.
»Aber ...
du natürlich ... meine Liebe.«
Jessie räusperte
sich. Obwohl es so aussah, als hätte sie sich unter Kontrolle, war sie doch
sehr nervös.
»Ich möchte
mit dir über die letzte Nacht sprechen«, begann sie.
Seine
Schultern spannten sich an. »Über die letzte Nacht?«
»Ja.«
»Wenn du
unser Liebesspiel meinst – es tut mir leid, wenn ich zu grob war, wenn ich dir
weh getan habe. Das war wirklich nicht meine Absicht.«
Zwei rote
Flecken zeigten sich auf ihren blassen Wangen. »Du hast mir nicht weh getan.«
»Dann sag
mir, worüber du mit mir sprechen möchtest.«
Jessie
leckte sich über die Lippen. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann
fielen ihr ein paar lederne Koffer in die Augen, die gepackt waren und offen
auf dem großen Himmelbett lagen.
»Du ... du
willst weg? Wo ... wo willst du hin?«
Sein
Lächeln war grausam. »Portsmouth. Ich kehre auf mein Schiff zurück. Ich hatte
eigentlich die Absicht, hier auf meinen Befehl zu warten, doch in der letzten
Nacht ... habe ich meine Pläne geändert.«
»Du ziehst
in den Krieg?« Ihre Stimme klang vor Entsetzen etwas schrill.
»Du
wußtest, daß ich die Absicht hatte zu gehen, wenn man mich ruft.«
»Ja, aber
ich ... ich wußte nicht, daß du eine Nachricht bekommen hast. Ich hatte
geglaubt, du würdest mir davon erzählen, mir die Möglichkeit geben, mich auf
deine Abreise vorzubereiten.«
»Vorzubereiten
auf was, Jessica? Du willst doch nicht behaupten, daß dir etwas daran liegt,
wenn ich abreise?«
»Natürlich
tut es das! Ich bin deine Frau. Du wirst dein Leben aufs Spiel setzen. Wie
kannst du da denken, daß mir nichts daran liegt?«
Matthew
musterte sie, er stellte fest, daß sie zitterte. Aus jedem ihrer Worte klang
ehrliche Sorge um ihn, dennoch wußte er, daß sie log. Seine nur mühsam
aufrechterhaltene Kontrolle begann zu wackeln. »Dir liegt also etwas an mir,
wie?«
»Ja, ich
...«
»Wenn dir
so viel an mir liegt, warum bist du dann zur Wayfarer Taverne geritten? Warum
hast du dir einen Geliebten genommen?«
»Waaas?«
»Gestern,
am frühen Abend, bin ich aus Beaconsfield zurückgekehrt. Ich habe gesehen, wie
du hier losgeritten bist, Jessica, und ich bin dir gefolgt. Ich habe dich
hinter der Taverne mit deinem Liebhaber gesehen. Ich bin nicht sicher, wer er
ist, aber ehe diese Nacht heute zu Ende ist, wirst du es mir zweifellos
erzählt haben.« Seine Augen brannten auf ihrem Gesicht, Verachtung las sie
darin und wilde Wut, die jeden Augenblick über sie hereinbrechen konnte.
Jessie
stand einfach nur da und sah ihn an, ihr Gesicht war so blaß, daß es beinahe
durchscheinend wirkte. Lange Zeit sagte sie gar nichts, doch dann wurden ihre
Lippen schmal vor Zorn.
»Jawohl,
Euer Lordschaft, Ihr könnt ganz sicher sein, daß ich Euch erzählen werde, wer
dieser Mann ist. Um ehrlich zu sein, das ist die Angelegenheit, über die ich
sprechen wollte.«
Ein scharfer
Schmerz fuhr durch seinen Körper, und er war plötzlich beunruhigt und unsicher.
Er konnte nicht begreifen, was hier vor sich ging.
Jessica
verschränkte die Hände. Sie preßte sie auf ihren Magen, so fest, daß sie ganz
weiß wurden. »Gestern kam ein Junge aus dem Dorf. Er brachte einen Brief, der
an mich adressiert war. Aus dem Inhalt wurde ersichtlich, daß der Schreiber wußte, daß
du nach Beaconsfield geritten warst. Da ich deinen Vater nicht unnötig aufregen
wollte, blieb mir keine andere Wahl, als mich selbst der Angelegenheit
anzunehmen.«
Mit
zitternder Hand griff sie in die Tasche ihres Kleides und holte das
zerknitterte Blatt daraus hervor. In ihren Augen standen Tränen des Zorns.
»Dies ist der Brief, den ich bekommen habe, der
Grund, warum ich zu der Taverne geritten bin. Der Mann, mit
dem du mich dort gesehen hast, war mein Bruder – nicht mein Geliebter.« Sie
drückte ihm das Blatt in die Hand, blinzelte
vergeblich, denn schon rollten die Tränen über ihre Wangen. »Ich habe keinen
Geliebten, Matthew. Und ich will auch keinen. Der einzige Mann, den ich je
geliebt
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