Stachelzart
Warum sollte ich mich lieber setzen? Zur Vorsicht stellte ich den Kaffee zur Seite, hockte mich auf einen der Küchenstühle und zog die Beine an. „Schieß endlich los!“, forderte ich ungeduldig.
„Es steht etwas über dich und Kay in der Zeitung, beziehungsweise im Internet. Mit Foto. Und auch etwas über seine Ex -Freundin, diese Svea Fergusson!“
Oh nein!
Mir war klar gewesen, dass die Journalisten nicht zum Spaß im Bayerischen Hof gewesen waren, aber dass schon am nächsten Tag etwas über Kay und mich in der Presse stehen würde, damit hatte ich nicht gerechnet.
„Ist es sehr schlimm?“, fragte ich vorsichtig.
„Das Foto von dir eigentlich nicht, obwohl du darauf ein ziemlich rotes Gesicht hast, aber der Text irgendwie schon!“
„ Lies vor!“, forderte ich und setzte mich vorsichtshalber tatsächlich auf einen meiner Küchenstühle.
„Sicher?“
„Ja, mach schon!“
Mimi begann den Text vorzulesen. Vor lauter Anspannung kaute ich meine Unterlippe blutig.
Die Überschrift lautete: Trubel um Kay König! Nur knapp entging er einem Bergunglück. Ist er nun frisch verliebt?
Der Text begann zunächst relativ harmlos mit der Beschreibung des Erdrutsches in den Bergen und unserem dortigen Kennenlernen. Hier hatten die Journalisten fast eins zu eins Veras Worte abgetippt. Dann folgte ein Foto, auf dem ich mit roten Wangen neben Kay vor Veras Auto stand. Mimi meinte, sie würde mir den Link gleich mailen, damit ich es mir später selbst ansehen könne.
Danach folgten Worte, die mir unvermittelt direkt ins Herz stachen.
… am gleichen Tag wurde Herr König mit seiner Verlobten Svea Fergusson gesehen. Die beiden wirkten nach wie vor sehr vertraut und küssten sich zum Abschied lange.
Auch davon würde dann ein Foto folgen, erzählte Mimi.
„Aber Kay hat gesagt, dass er sich mit ihr treffen wollte. Sie spielt in seinem Film mit und es gab Probleme, über die er mit ihr sprechen wollte. Wie sieht der Kuss auf dem Foto denn aus? War es nicht vielleicht ein einfacher Wangen-Abschiedskuss?“, fragte ich immer noch hoffnungsvoll.
„Sieh es dir selber an!“, meinte Mimi. „Das ist eindeutig kein Wangenkuss. Am Ende des Artikels steht noch, dass diese Svea heute Abend Gast bei 'Wetten was?' ist. Vielleicht sollten wir uns das ansehen?! Ich komme nach der Arbeit bei dir vorbei, in Ordnung?“
Noch ganz benommen von den neusten Informationen stimmte ich zu. Wenn das, was in dem Artikel stand, wirklich den Tatsachen entsprach, hatte ich Mimis Gegenwart und Zuwendung mehr als nötig.
Wir beendeten das Telefonat und ich stürmte sofort zu meinem Computer, um Mimis E-Mail mit dem Link zu öffnen.
Aha, da war sie ja schon!
Ich klickte auf den obersten Link und der Artikel baute sich langsam auf meinem Bildschirm auf.
Los, mach schon! Schneller!
Der Artikel war in einer großen deutschen Zeitung mit vier Buchstaben erschienen. Vielleicht sollte ich ihn dann doch nicht so ernst nehmen?
Aber Mimi hatte noch weitere Links zu anderen Zeitungsseiten mitgeschickt. Sie las frühmorgens immer alle möglichen Zeitungen, um übergreifend informiert zu sein. Der Feuilleton-Bereich war für sie besonders interessant, denn sie vertrat auch oft prominente Klienten in Scheidungsangelegenheiten und da war es fast ein Muss, in diesem Bereich umfassend informiert zu sein. Sie hatte schon das ein oder andere pikante Detail aus der Presse verwenden können.
Ich überflog den Artikel. Das Foto von mir war zwar nicht das beste, das jemals von mir gemacht worden war, aber es war auch nicht das schlechteste. Da hatte es schon weitaus schlimmere gegeben. Bis auf meine roten Wangen, die aussahen wie nach einem Sonnenbrand, ging es eigentlich.
Viel schlimmer war das Bild von Kay und Svea.
Mimi hatte Recht. Das war wirklich eindeutig!
Das Foto zeigte eine Großaufnahme von Kays und Sveas Gesichtern, bei der man kaum erkennen konnte, wo Kays Kopf anfing und Sveas Gesicht aufhörte. Ihre Lippen klebten förmlich aneinander. Svea hatte die Augen geschlossen, während Kays geöffnet waren.
Widerlich!
Hinterhältig!
Abgrundtief gemein!
Wie konnte er nur?
Oder besser gesagt, wie konnte ich nur?
Wie konnte ich mich nur in jemanden wie Kay König verlieben? Und das, obwohl ich doch irgendwie geahnt hatte, dass Kay einfach nur einer dieser Aufreißertypen war. Wie hatte ich mich nur so blenden lassen können. Hätte ich doch bloß auf meinen Verstand gehört.
Dumme Anna!
Dumme, arme verliebte
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