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Stadt Aus Blut

Stadt Aus Blut

Titel: Stadt Aus Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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ihr zu und zwänge mich durch die Horde von Hinterwäldlern. Sie deutet mit dem Kopf auf die gegenüberliegende Seite der Bar, wo sich ein paar Leute versammelt haben.
    – Da drüben.
    – Wo?
    – Der Winzling.
    – Welcher Winzling?
    Ich bemerke, dass es sich bei einem Typen, von dem ich annahm, er sei über zwei Meter groß, in Wirklichkeit um einen dicklichen Zwerg handelt. Er steht auf der Theke und erzählt einer Gruppe von sieben Leuten Witze. Sie lächelt mich schief an.
    – Was sagst du jetzt, du harter Bursche?
    Ich beobachte den Zwerg und mir fällt eine große Ausbeulung in seiner hinteren Hosentasche auf. Ich lächle zurück.
    – Wie heißt du?
    – Evie.
    – Schöner Name.
    – Danke.
    – Gibt’s hier einen Rausschmeißer?
    – Nur mich.
    – Was machst du, wenn es eine Schlägerei gibt?
    – Wieso fragst du?
    – Weil ich den Zwerghöchstwahrscheinlich verprügeln muss. Soll ich das hier tun oder lieber draußen?
    – Wenn du hier zu prügeln anfängst, schmeiß ich dich raus.
    – Hoppla. Dann werd ich wohl draußen auf ihn warten.
    – Warum?
    – Weil ich vielleicht noch mal vorbeischauen und dich wiedersehen will. Das ist für das Bier und die Info. Übrigens, ich bin Joe. Bis bald mal.
    Ich legte einen Fünfziger auf den Tresen und ging nach draußen, um auf den Zwerg zu warten. Etwas später kam er dann auch, in Begleitung seiner normal großen Kumpels. Es kam zu einem kleineren Handgemenge und er zog eine Pistole. Ich nahm sie ihm ab und gab ihm ein paar aufs Maul. Darüber regten sich seine Kumpels auf, und ich musste ihnen ebenfalls ein paar einschenken. Schließlich bekam ich mein Geld, warf die Kanone in einen Gully und ging nach Hause. Schon am nächsten Tag war ich wieder in der Bar und hörte mir die Musik an. Evie würdigte mich die ganze Zeit über keines Blickes, aber ich durfte sie nach Hause begleiten.
    Eine Zeit lang saßen wir vor ihrer Haustür und redeten über ein Buch, das sie gerade las, und über einen Film, der mir gefiel. Dann stand sie auf und stellte sich auf eine Stufe, sodass sie mir ins Gesicht schauen konnte, ohne sich den Hals zu verrenken. Sie sagte mir, dass sie mich auch gerne wiedersehen würde. Sie erzählte mir, dass sie HIV-positiv sei und unter keinen Umständen mit mir Sex haben würde. Dann küsste sie mich fest auf den Mund und ging hinein. Ich kam gar nicht dazu, ihr zu sagen, dass ich ebenfalls keinen Sex habe.
    Das ist nicht leicht zu erklären. Das Vyrus hat sich in meinem Körper eingenistet, ernährt sich von meinem Blut und kümmert sich im Gegenzug um alle Verunreinigungen und Infektionen. Es will um jeden Preis überleben, und dazu benötigt es Blut. Deshalb stattet es mich mit den nötigen Instinkten, körperlicher Stärke und der geschärften Sinneswahrnehmung eines Raubtiers aus. Wenn ich es nicht mit ausreichend Blut versorge – menschlichem Blut – verbrennt es meinen Körper, bis nur noch eine leere Hülle zurückbleibt. Sobald ich der UV-Strahlung ausgesetzt bin, geht es auf mein Immunsystem los, und innerhalb weniger Minuten wuchern in meinem Körper bösartige Tumore. Es kann mich mit Adrenalin und Endorphinen vollpumpen und hat die Fähigkeit, innerhalb von Sekunden alle meine Wunden sofort zu schließen. Wer mich umbringen will, muss mein Herz oder meinen Kopf erwischen, mich in zwei Hälften schneiden oder meinen Körper sonst wie vernichten. Und zwar schnell, bevor er Zeit bekommt, wieder zu heilen. Niemand weiß, dass es so etwas wie mich gibt, und dabei will ich es auch belassen. Wir sind nur wenige, und das Sonnenlicht bringt uns langsam aber sicher um. Mein Körper ist dem Tod so nahe, wie etwas Lebendiges es nur sein kann, und wird allein durch den Willen und den Hunger eines anderen Organismus in Bewegung gehalten. Ich könnte eine ganze Krankenstation voller Aidspatienten aussaugen; das Vyrus würde das HIV einfach in sauberes, gesundes Blut verwandeln. Würde ich die Patienten mit einem Tröpfchen meines Blutes infizieren, wären sie alle geheilt. Allerdings würden sie den Rest ihres Lebens nach mehr und mehr Blut verlangen. Letzten Endes könnte ich sogar Evie heilen.
    Eines schönen Tages werde ich den Mut aufbringen, ihr alles zu erzählen. Ich werde ihr tief in die Augen schauen und ihr sagen, dass ich sie liebe und für immer mit ihr zusammen sein möchte. Aber bis dahin werden wir wohl nur gute Freunde bleiben.
     
    Kurz vor Mittag klingelt das Telefon.
    – Hier spricht Joe Pitt. Bitte hinterlassen Sie eine

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