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Stadt Aus Blut

Stadt Aus Blut

Titel: Stadt Aus Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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einzufordern. Ich ging zu den Meetings, half bei der Organisation und redete mit den Neuen. Ich habe viel Zeit in irgendwelchen Kellerlöchern verbracht und den Neulingen beim Überleben geholfen. Und mich dann in den gleichen Kellerlöchern vor der Koalition versteckt. Es waren harte Zeiten, Ende der Siebziger. Die Society war gerade dabei, sich zu formieren. Dass die Koalition die Kontrolle über das Gebiet verloren hatte, bedeutete nicht, dass Terry sie automatisch gewonnen hatte. Erst Mitte der Achtziger hatte er es geschafft, die vielen kleinen Clans zu einer großen Einheit zusammenzuschweißen – jetzt ist dort alles durch und durch Society. Was mich betrifft: Ich habe mich abgeseilt, nachdem ich begriffen hatte, wozu Terry mich eigentlich brauchte.
    Anfangs kümmerte ich mich nur um ein paar Unabhängige, die der Society nicht beitreten wollten. Es waren blutige Anfänger, die mit ihrem neuen Leben nicht zurechtkamen, und es war das Beste, sie von ihrem Elend zu erlösen. Dann gab es Mitglieder der Society, die nicht mit Terrys Plänen einverstanden waren. Auch um die musste ich mich kümmern. Und es waren nicht wenige.
    Eines Tages tauche ich bei einem Typen auf, den ich kannte und gut leiden mochte. Ich will lediglich einen mit ihm heben gehen, aber sobald er mich sieht, wird er ganz nervös. Als ob er mir auf gar keinen Fall den Rücken zudrehen will. Da habe ich begriffen, dass ich Terrys Mann fürs Grobe war. Seine ganz persönliche Polizei. Und das Letzte, was ich sein will, ist ein beschissener Bulle.
    Ich wurde unabhängig, verließ die Society und ging meinen eigenen Weg. Aber ohne Verbindungen kommt man als Vampyr nicht weit. Keiner der Clans duldet einen Unabhängigen in seinem Revier. Also musste ich weiter Terrys Aufträge erledigen, wenn ich auf seinem Terrain leben wollte.
    Dann bot mir die Koalition einen kleinen Job an. Ich willigte ein. Ein Glücksgriff. Weil sie überall ihre Nase drin haben, wussten sie auch, dass ich unabhängig war; und dass ich mich ungehindert jenseits der 14th bewegen konnte. Sie wollten einen Maulwurf in die Society einschleusen und machten mir ein großzügiges Angebot. Ich machte ihnen ein Gegenangebot. Und so sind wir verblieben: Sie tun so, als hätten sie mich in der Hand, und ich tue so, als wäre das nicht der Fall – wer recht hat? Keine Ahnung.
    Ich erledige weiter Aufträge für die Koalition, denn sie hat Mittel und Wege, mich loszuwerden, wenn sie will. Zudem erledige ich Aufträge für die Society, weil ich auf ihrem Gebiet lebe und sie mich andernfalls in die Außenbezirke abschieben würden. Dafür gestattet man mir, unabhängig bleiben. Es ist schließlich mein Leben, und ich kann damit tun und lassen, was ich will. Und wenn mir irgendwann alles zu viel werden sollte, muss ich einfach nur an einem sonnigen Tag zur Tür hinausspazieren.
    Aus dem Spiegel blickt mir ein Gesicht von ungefähr achtundzwanzig Jahren entgegen. Der Mensch dahinter ist fünfundvierzig. Mehr Blut, und ich würde noch jünger aussehen. Wer weiß schon, was so Typen wie Predo alles in sich hineinschütten? Schließlich hat er unbeschränkten Zugriff auf die Vorräte der Koalition. Manchmal bekomme ich ein paar Liter von ihnen, aber das meiste organisiere ich mir selbst irgendwo. Je weniger ich trinke, umso weniger Aufsehen errege ich. Unser Durst ist unser schwacher Punkt. Der Durst hetzt uns die Jäger auf den Hals. Wir müssen in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte leben – dort, wo unser Lebensstil und unsere Abneigung gegen Sonnenlicht nicht weiter auffallen. Manche von uns ziehen sich aufs Land zurück und werden so etwas wie Einsiedler, die sich von Rucksacktouristen ernähren. Andere leben in kleinen Ortschaften, wo sie so gut wie kein Blut bekommen. Ausgemergelte Gestalten, die sich als Tarnung mit einem Schein von Extravaganz umgeben. Die Vorstädte kann man gleich vergessen. Sie sind weder dicht noch dünn genug besiedelt, um sich dort verstecken zu können. Kein Vampyr wird länger als ein Jahr in einer Vorstadt überleben. Außerdem sind es die tristesten Orte, die es gibt. Einkaufszentren, Wohn- und Industriegebiete. Himmel! Da kann man sich genauso gut gleich einen Pfahl durchs Herz jagen und einem von den Van Helsings die Arbeit ersparen. So viel zum Reich der lebenden Toten.
    Wie gesagt, Joe Pitt ist nicht mein richtiger Name. Ein Typ wie ich braucht keinen richtigen Namen.
     
    Am nächsten Morgen überlege ich, ob ich mir wegen meiner gebrochenen Rippen

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