Stadt aus Sand (German Edition)
Augen schienen sie zu verschlingen. Bei Tageslicht wirkten seine Gesichtszüge furchterregend, in seiner schwarzen Haut waren Spuren von Feuerrot zu sehen.
Der Fürst sprach seine Zauberformel, und in Rokias Kopf begann sich alles zu drehen.
»Sie ist es!«, sagte Sanagò triumphierend.
Rokia, die jetzt kein Fennek mehr war, wurde hastig von den Wachen bekleidet, während Raogo wütend in seinem Käfig knurrte.
Die Augen des Fürsten blitzten neugierig auf. Er gab seinen Wachen ein Zeichen, sie sollten gehen und all die Wüstenfüchse aus dem Hof mitnehmen. Dann wandte er seine gesamte Aufmerksamkeit dem Mädchen zu, das er gerade wiedergefunden hatte.
»Dachtest du wirklich, du könntest mir entkommen, Enkelin Matukés?«
»Du wusstest, wer ich bin?«, fragte Rokia verblüfft.
»Ich wusste, dass der Alte eine Tochter hatte. Und dass diese Tochter vier dumme kleine Jungen geboren hat. Und ein Mädchen. Das bist also du.«
»Fass mich nicht an!«
»Dein Großvater hat große Hoffnungen auf dich gesetzt …«
»Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen!«
»Und du hast die Wüste durchquert, um ihn hier zu suchen … ha ha. So ein verrücktes kleines Mädchen. Genauso verrückt wie er!«
»Mein Großvater ist nicht verrückt!«
»Nein? Was ist dein Großvater denn dann? Willst du mir das mal verraten? Eine Mumie vielleicht? Ein Haufen lebloser Knochen? Sein Körper ist tot, obwohl der Hogon nicht zulässt, dass er ganz gehen kann. Der arme Dummkopf! Bald werde ich auch ihn in meiner Sammlung von Seelen haben!«
Rokia schwieg.
Sie dachte nach.
Richtete den Blick auf den Boden.
Dachte nach.
Man konnte ihn nur durch Gesang besiegen. Man musste ihn an seinen Namen erinnern und ihm etwas abnehmen. Aber was?
Rokias Augen suchten fieberhaft die Kleidung des Fürsten ab. Er trug keine Ketten, Taschen oder Gürtel und hatte auch keine Fläschchen irgendwo angebracht. Was sollte sie ihm also abnehmen?
Raogo, der nahe bei ihnen in einem Käfig saß, tobte darin wie ein Besessener herum und knurrte.
»Sei still!«, schrie ihn der Fürst an und versetzte dem Käfig einen heftigen Fußtritt.
»Lass Raogo in Ruhe, Sanagò!«
Als der Fürst hörte, dass sie ihn bei diesem Namen nannte, versetzte er ihr eine Ohrfeige.
»Ich bin nicht Sanagò! «, brüllte er. »Und du sollst aufhören, mich so zu nennen. Es gibt keinen Sanagò!«
Drohend ragte der Fürst über ihr auf. Mit seinem leicht geöffneten Umhang wirkte er wie eine blaue Fledermaus. Zwischen seinen Fingern schossen schwarze Tentakel hervor und stürzten sich auf das Mädchen, das sich verängstigt auf dem Boden zusammenkauerte.
»Lass mich! Lass mich gehen!«
Die Schlangen bewegten sich um sie herum wie lebendige Wesen, doch sie packten und würgten sie nicht.
»Ich soll dich gehen lassen? Ja, vielleicht sollte ich das wirklich. Dann könntest du in dein Dorf zurückkehren und dort erzählen, wie dumm es von dir gewesen ist, hierherzukommen. Nur schade, dass ich meine Wachen schon losgeschickt habe, um es zu zerstören!«
»Das darfst du nicht tun …«, schluchzte Rokia, die sich auf dem Boden zusammengerollt hatte.
»Und wer soll mich daran hindern? Du etwa?«
Rokia fühlte, dass ihr Herz vor Angst hämmerte wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Sie zwang sich dazu, den Fürsten nicht anzusehen, und richtete ihre Augen auf den Boden. Ein paar Schritte von ihr entfernt starrte Raogo sie durch die Stangen seines Käfigs an, als wollte er ihr etwas mitteilen.
»Es ist aus, Mädchen, verstehst du das? Aus!«, zischte der Fürst der Stadt aus Sand verächtlich.
Merkwürdig, dachte Rokia.
Irgendetwas hier war merkwürdig.
Sie sah sich um. Der schwarze Baobabstand regungslos da. Einige Wachen schützten das Eingangstor, vor dem sich ziemlich viele Menschen drängten, die sie beobachteten. Die anderen Wachen brachten schweigend die Käfige mit den Fenneks weg.
Das war es also!
Alle Wüstenfüchse waren jetzt still. Und nicht nur sie. Auch die anderen Tiere aus der Menagerie des Fürsten waren verstummt. Löwen, Wildschweine, Elefanten, Affen, Krokodile und alle anderen Tiere drängten sich nah an die Gitterstäbe ihrer Käfige.
Und starrten sie an wie Raogo.
Alle warteten auf etwas.
Die Luft zitterte vor Erwartung.
»Warum hast du dir meine Seele nicht genommen?«, fragte Rokia und sah zum Fürsten auf. »Du hast doch die meines Großvaters und all der anderen Menschen genommen. Warum nicht auch meine?«
Der Fürst breitete wieder die Arme
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