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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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bis man nach Milchigem wieder Fleisch essen darf. Aber ich erinnere mich eben auch daran, dass es für manche genügt, wenn sie nach einem Ei lediglich den Mund gut ausspülen, ein Stück Brot essen, bevor sie was anderes essen.«
    »Du erinnerst dich also doch«, trumpfte Bianca auf. »Es konnte ja auch gar nicht anders sein.«
    »Ich erinnere mich deswegen daran, weil genau dies einmal ein Thema war, über das wir in größerem Kreis ziemlich lang diskutiert hatten.«
    Bianca stand auf, nahm die beiden Teller, die auf dem Tellerstapel standen, die Pfanne und zwei Kochtöpfe, Bestecke aus der Schublade und stellte sie auf den Tisch.
    »Du kannst das alles haben. Es hat für mich keinen Wert mehr. Und nenn mich nicht immer noch Bianca. Ich heiße nicht mehr so.«
    Dann ging sie zur Tür.
    »Ich heiße Esther, das sagte ich dir bereits.«
    »Ich frage mich, wozu dies alles?«, gab Crestina heftig zurück. »Moise wird doch niemals eine Christin heiraten. Er hat ein Mädchen im Serraglio in Rom.«
    »Rom ist weit. Und er braucht auch keine Christin zu heiraten«, erwiderte Bianca störrisch.
    »Ach ja? Und wieso nicht?«
    »Weil ich übertreten werde. Ich nehme bereits Unterricht und lerne aus seinen Büchern. Aus jüdischen Büchern.«
    »Und woher hast du diese jüdischen Bücher?«
    Bianca lachte.
    »Nun, die stehen hier doch haufenweise herum. In Leas Räumen. Und Moise druckt sie. In Livorno.«
    »Ach so, bereits Moise!«
    »Hast du was dagegen? Ich denke, Lea ist deine Freundin? Oder etwa plötzlich nicht mehr, seit sich Moise für mich interessiert?«
    »Er interessiert sich keinesfalls für dich. Du drängst dich ihm auf eine widerliche Art und Weise auf.«
    »Er interessiert sich sehr wohl für mich«, erwiderte Bianca entschieden.
    »Und woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es eben. Eine Frau weiß so etwas, wenn sie sich auch nur ein winziges bisschen auskennt bei den Männern.«
    Crestina blieb sitzen, das Gesicht starr vor Verblüffung. Dann lachte sie lauthals, als Bianca die Tür hinter sich schloss.
    »Auskennt bei Männern! Mamma mia. Meine Tochter!«

11. Briefe an einen Toten
    »Du warst an seinem Grab«, sagte Ludovico zornig, als Crestina eines Tages durchweicht in den Palazzo zurückkehrte. »Du konntest nicht schnell genug zu ihm kommen! Du hast dir nicht einmal die Zeit genommen, auf Sonne zu warten. Existiert die Insel überhaupt noch? Oder sind dir die Leichen entgegengeschwommen? Wie damals bei der Überschwemmung, als Margaretes Familie Hals über Kopf die Stadt verließ und nach Nürnberg zurück flüchtete?«
    Crestina blickte an ihrem Sohn vorbei und stieg wortlos die Treppe empor.
    »Falls du den geteilten Würfel suchst, den haben gewiss längst die Mäuse zernagt«, schrie ihr Ludovico hinterdrein, »da bin ich ganz sicher.«
    »Welchen geteilten Würfel, bei den Göttern?«, fragte Bianca verstört, die im gleichen Augenblick die Treppe emporkam.
    »Den Würfel, den unsere Mutter vermutlich mehr als zwanzig Jahre irgendwo aufbewahrt hat, noch immer in der Hoffnung, dass die beiden Hälften irgendwann einmal wieder zusammenfinden würden. In Äonen. Den von Plato«, erklärte Clemens, der inzwischen hinzugekommen war, bereitwillig. »Der Würfel, mit dem sich Generationen von Menschen schon meschugge gemacht haben! Den sich dieser Plato ausgedacht hat. In irgendeinem seiner Texte. Ich glaube, es war das ›Gastmahl‹, da kannst du es ohne weiteres nachlesen.«
    »Seine Bücher sind ja im ganzen Haus verteilt, wie ich inzwischen festgestellt habe, vermutlich jedes zweimal. Damit es von Riccardo und unserer Mutter auch gleich zweimal gelesen werden konnte«, sagte Ludovico schroff.
    Bianca fragte sich, woher Ludovico sein Wissen hatte. Das mit den herausgeschwemmten Leichen hatte Crestina ihren Kindern zwar einmal erzählt, und das Gespräch über diesen Bruder Riccardo, der an der Pest gestorben war und ganz offensichtlich nie vergessen wurde, erklärte auch vieles, nachdem sie mit Clemens einmal darüber gesprochen hatte und er ihr von einer geheimen Kammer berichtete, die es da angeblich auf dem Speicher gab, irgendwo, hinter verschlossenen Schranktüren.
    Es hatte diese Gespräche natürlich nicht offen innerhalb der Familie gegeben. Es gab sie lediglich verschlüsselt und unterdrückt, so, als seien sie eben keine Familie. Es schien, als seien sie alle, seit sie wieder in dieser Stadt lebten, zu Feinden geworden. Als sei eine Axt vom Himmel gefallen, habe sich zwischen sie

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