Stadt der blauen Paläste
hätte mit Misstrauen erfüllen müssen. Aber sie war gutgläubig mit ihren Eltern mitgegangen, vor allen Dingen deswegen, weil ihre Mutter mit geheimnisvoller Stimme gesagt hatte, es handle sich um eine Überraschung.
Als sie zum Arsenal gingen und dort auf eines ihrer Schiffe – eine Kogge, die erst vor einigen Tagen aus dem Orient mit Pfeffer, Zimt, Koriander und anderen Handelsgütern zurückgekommen war –, war sie mehr als neugierig, da sie sich an Bord natürlich auch irgendwelche kostbaren Stoffe erhoffte. Aber im Laderaum befand sich nur noch eine große Ladung Zucker, der in Venedig raffiniert werden sollte, da das Vermögen von Signor Zibatti einige Zuckerplantagen auf Zypern umfasste.
Der Vater hatte sie in seine Kajüte geführt, seinen Tresor geöffnet und dann eine kleine Samtschachtel herausgenommen, in der sich ein Schmuckstück befand: ein Lapislazuli. Crestina hatte sich über die Kostbarkeit gefreut, zwar ein wenig verwundert, da es keinen echten Anlass für dieses Geschenk gab, weder einen Namenstag noch sonst ein besonderes Ereignis. Aber ihre Mutter hatte sie kaum zum Nachdenken kommen lassen, eine goldene Kette aus dem Tresor genommen und ihrer Tochter dann die Kette mit dem Stein um den Hals gelegt. Er stammt aus der Tatarei, hatte sie erklärt und schließlich zum Weitergehen gedrängt. »Zur nächsten Überraschung«, wie sie geheimnisvoll geflüstert hatte.
Crestina, die Hand auf ihrem neuen Geschenk, war mitgegangen, wenig interessiert an dieser ›nächsten Überraschung‹, weil sie mit Riccardo verabredet war. Als ihre Eltern sie nach San Zaccaria geführt hatten, dem vornehmsten Kloster in der Stadt, war ihr Interesse noch weiter gesunken, da sie wusste, dass es sich nur um einen Besuch bei einer Freundin ihrer Mutter handeln konnte. Eine Frau, die sie weder interessierte noch besonders leiden konnte, da sie – aus ihrer Sicht – in nichts einer Nonne ähnelte. Und genauso hatte sie sich auch diesmal gezeigt: Die Freundin hatte sich mit vielen anderen Insassen des Klosters im parlatorio aufgehalten, einem Raum, der durch ein großmaschiges Gitter von dem Eingangsbereich abgetrennt war. Sie hatte normale Kleider getragen, vornehme Kleider, mitnichten eine Nonnentracht. Die beiden Frauen hatten miteinander gelacht, die Mutter wunderte sich über den kostbaren Schmuck, den die Freundin trug. Dann flüsterten sie kichernd wie junge Mädchen miteinander, ganz offensichtlich über diesen Schmuck und die ungewöhnlichen Kleider und woher sie stammten.
Ihr Vater stand in einer Ecke des parlatorios, offenbar wartend auf die Äbtissin, die sie beide nach einer Weile freundlich begrüßte und Crestina fragte, ob sie den refettorio sehen wollte. Crestina hatte unschlüssig genickt, bereits verärgert über die Zeit, die sie hier nutzlos herumgestanden hatten, da die Mutter noch immer mit der Freundin durch die Gitterstäbe hindurch kicherte. Nach der Besichtigung dieses refettorios war der Garten gefolgt, dann das dormitorio, das Crestina ebenso wenig interessierte wie das übrige Innenleben dieses Klosters. Aber sie hatte höflich auch den Schlafsaal mit den vielen Betten absolviert, nur dem scrittorio hatte sie sich dann verweigert, was ihre Mutter, die inzwischen zu ihnen zurückgekehrt war, als unhöflich empfunden hatte.
Wieder im Freien, hatte sie aufgeatmet und die Mutter dann nach der Freundin gefragt. Aber die Mutter hatte den Kopf geschüttelt und war stehen geblieben.
»Es wäre besser gewesen, wenn du dir alles in Ruhe angesehen hättest«, hatte sie dann sichtlich nervös gesagt. »Hier wirst du nämlich in Zukunft leben. Sobald eine der Zellen frei ist.«
Der Vater hatte sich umgedreht, vermutlich um ihr entsetztes Gesicht nicht zu sehen, und dann gemurmelt, dass die Mitgift bereits bezahlt sei.
»Es ist das vornehmste Kloster in der ganzen Stadt«, hatte die Mutter freundlich, aber mit Nachdruck gesagt und wiederholt, dass die Mitgift bereits bezahlt sei. »Und nachdem du Lukas Helmbrecht nicht heiraten wolltest, war ja nur dies geblieben: Ehe oder Kloster. Auch deine Freundin Clara wird eines Tages hier eintreten, sie ist ebenfalls bereits angemeldet.«
Was danach noch geschah, war ihrem Gedächtnis entfallen. Sie wusste nur, dass Riccardo am Abend gelacht hatte.
»Mitgift an San Zaccaria! An den Vater von Lukas Helmbrecht hätte er das Fünffache bezahlen müssen.«
Clara hatte sie später auf der Quarantäne-Insel lazzaretto nuovo wieder getroffen, nachdem sie
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