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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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werden konnten, die aufgrund dieser Messiaserwartung unüberbrückbar wurden: Rabbiner gegen die Vorsteher der Gemeinde. Dass es dem Propheten Nathan trotz des Verbotes, das Ghetto zu betreten, gelungen war, dorthin zu gelangen und dies als eine nichtjüdische Entscheidung, schien ihr nahezu absurd. Zwei venezianische Behörden hatten es verfügt. Die Kontakte mit den Juden, die verboten worden waren, fanden also statt, und das Volk forderte weiterhin seine Wunder, die der Prophet natürlich nicht vollbringen konnte.
    Nathan blieb nicht länger als vierzehn Tage im Ghetto, aber sie genügten, die Situation so zu verschärfen, dass die Gemeinde kurz vor der Entscheidung stand, den Propheten zu exkommunizieren. Da es für die jüdische Reputation natürlich besser war, das Problem auf andere Art und Weise zu lösen – vor allem auch den Christen gegenüber –, verzichtete man schließlich auf diese ungewöhnlich harte Strafe und wehrte sich auf andere Art.
    Nathan verließ die Stadt.
    Der Traum mit dem Messias war zu Ende geträumt.
    Zumindest für dieses Mal.
    Als Crestina an diesem Morgen in eigener Sache ins Ghetto kam, da sie einen der jüdischen Reeder aufsuchen wollte, blieb sie entsetzt an einem der Tore stehen. Der große Platz des ghetto nuovos erschien ihr nahezu wie im Kriegszustand. Gruppen von brüllenden Menschen standen sich drohend gegenüber, ballten die Fäuste, beschuldigten sich gegenseitig, den Messias verraten zu haben, zu wenig gebetet, zu wenig gefastet, zu wenig Bereitschaft gezeigt zu haben, nach Jerusalem zu gehen. Andere artikulierten ihren Zorn gegenüber Sabbatai Zwi, der zum Islam übergetreten war, um der Folterung des Sultans zu entgehen, wieder andere erklärten sich bereit, ebenfalls zum Islam zu konvertieren, wie ihnen dies ihr Prophet Nathan aus Gaza empfohlen hatte. Wieder andere drückten ihre Verzweiflung aus, indem sie händeringend und weinend über den Platz liefen, weil sie nun ohne Messias zurückbleiben würden. Wieder einmal. Und nun ganz sicher solche schrecklichen Pogrome wie einst unter dem polnischen Kosakenführer Bogdan Chmielnicki möglich sein würden, der Unzählige ihrer Glaubensgenossen ermordet und in die Sklaverei geführt hatte. Und einen Mann zu finden, der am neunten Av geboren war, wie dies für den Messias angekündigt war und dies auf Sabbatai Zwi zutraf, würde Äonen dauern.
    Crestina fand ihre Tochter inmitten der Verzweifelten auf dem großen Platz, tränenüberströmt auf dem Boden vor einer der Verkaufsbuden, die geschlossen war und verlassen schien.
    »Er ist nicht gekommen«, schluchzte sie, »und sein Prophet Elijahu, dieser Nathan, hat uns verlassen. Und sie haben alles verkauft, um dem Messias nach Jerusalem zu folgen. Sie besitzen nichts mehr. Kein Bett, keinen Teller, keinen Topf, nicht mal mehr eine Sabbat- Lampe , die sie am Freitag herunterziehen können.«
    Crestina setzte sich, ohne etwas zu fragen, neben ihre Tochter auf den Boden vor die verlassene Verkaufsbude, und legte die Arme um ihre Schultern.
    Und weinte mit ihr.
    »Und jetzt habe ich alles vergessen, was ich einmal gewusst habe«, schluchzte Bianca nach einer Weile. »Alles, was ich doch hätte wissen müssen, wenn ich hätte mitziehen wollen nach Jerusalem. Mir fallen nicht einmal mehr die zwölf Stämme ein, die hätten eingesammelt werden sollen.«
    Sie machte wieder eine Pause, hob die Hand.
    »Ruben, Simon, Levi, Juda – und da hört's schon auf.«
    Sie sah ihre Mutter vorwurfsvoll an.
    »Hilf mir.«
    Crestina schüttelte ratlos den Kopf.
    »Ich weiß diese Stämme nicht, ich habe sie nie gelernt. Ich weiß nichts über sie.«
    »Wenn du mich je geliebt hättest, wirklich geliebt, dann hättest du mit mir gelernt, hättest mich abgehört«, sagte Bianca vorwurfsvoll. »Sie sollen von allen vier Ecken der Welt jetzt eingesammelt werden, hat der Prophet gesagt.«
    »Ich kann dich jetzt abhören«, erwiderte Crestina liebevoll, »du sagst sie mir, und ich höre dich ab.«
    »Ich bring sie nicht mehr zusammen, das sage ich ja gerade.«
    Sie legte den Finger an die Nase, dachte nach.
    »Benjamin gehört dazu, Gad, Asser, Zebulun. Ja, Zebulun.«
    »Gad, Asser, Zebulon«, wiederholte Crestina gehorsam.
    »Mit ›u‹«, korrigierte Bianca, »Zebulun.«
    »Zebulun. Und jetzt die Ersten, die dir eingefallen sind. Dann sind es schon mehr als die Hälfte.«
    Bianca schüttelte den Kopf.
    »Die Ersten kann ich ja noch, mir fehlen die anderen. Es könnte Naftali und Dan

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