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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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weiß nicht, weshalb ihr dieses seltsame carnevale gefeiert habt, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, es hatte damit zu tun.«
    Crestina zuckte mit den Schultern.
    »Mag sein, wir haben nie darüber gesprochen.«
    »Ach ja?«, sagte Leonardo verblüfft, »das kann ich mir kaum vorstellen.«
    »Mach dir keine Gedanken darüber«, wehrte sie ab und küsste Leonardo auf die Backe. »Ich denke, es wird schon alles richtig werden. Für dich genauso wie für mich. Zumindest hoffe ich das.«

22. Fluchten
    Lea hatte am Abend zuvor eine wichtige Liste mit ihren katalogisierten Büchern im Palazzo vergessen und da sich inzwischen ein Käufer angemeldet hatte, war sie gezwungen, nun in aller Eile dorthin zu gehen, um diese Unterlagen zu besorgen. Sie tat es mit schlechtem Gewissen, da Moise sich mit Leibschmerzen ins Bett gelegt hatte und sie nicht sicher war, wegen einer nicht erledigten Aufgabe für die Jeschiwa oder ob es einen wirklichen Grund gab. Auf jeden Fall war sie nun also doppelt in Eile, da sie nie sicher sein konnte, ob Moise sein Versprechen, niemanden in den Laden einzulassen, einhalten würde.
    Als sie den Schlüssel in das Schloss des Palazzo schob und die Tür öffnete, spürte sie bereits, dass etwas nicht stimmte: Crestina saß mit Margarete in der schwarzen Gondel, die stets als Moises Refugium diente, wenn etwas geschehen war. Crestina drückte Margarete soeben ein Taschentuch in die Hand – Margarete weinte. Ein Bild, das Lea nie zuvor gesehen hatte.
    »Was um Himmels willen ist passiert?«, fragte sie bestürzt.
    »Sie sind fort«, erklärte Crestina, da Margarete ganz offensichtlich nicht zum Reden bereit war.
    »Wer?«, fragte Lea irritiert und durchforschte ihren Kopf, wer fort sein konnte und Margarete zum Weinen brachte. Moise konnte es ausnahmsweise nicht sein, dachte sie erleichtert und stieg mühsam ebenfalls in diese halb zerstörte Gondel.
    »Alle«, murmelte Margarete.
    Lea schaute ratlos von Crestina zu Margarete und wieder zurück.
    »Und weshalb?«
    »Wegen des acqua alta«, erklärte Crestina.
    »Wegen was?«, fragte Lea ratlos. »Wer ist weg und weshalb wegen des acqua alta? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Margarete putzte sich die Nase.
    »Sie sind Hals über Kopf abgereist. Wegen des Hochwassers und der Leichen. Alle sind sie fort, meine gesamte Familie. Ohne sich zu verabschieden.«
    Crestina nahm Margarete in den Arm.
    »Kannst du uns das noch mal erzählen?«, sagte sie dann. »Ausführlich. Von den Leichen, dem acqua alta und deiner Hals über Kopf abgereisten Familie.«
    »Nun, bei ihrer Ankunft hatte die Stadt ja bereits ziemlich gestunken, weil die Kanäle trocken waren.«
    »Das weiß jeder, dass es dann stinkt«, gab Crestina ergeben zu.
    »Und dann kam das Hochwasser und dann –«
    Crestina unterbrach.
    »Ich weiß schon, was jetzt kommt: Es hat also wieder einmal die Leichen, die hinter den Kirchen oder sonst wo nicht tief genug begraben waren, ausgeschwemmt.«
    »Und sie den Kanal hinuntergeschwemmt«, empörte sich Margarete und schüttelte sich dabei. »Und Schreck, der ohnehin bei jeder Krankheit, von der er nur aus der Ferne hört, schon in Panik verfällt, konnte nicht schnell genug seine Sachen packen und die Stadt verlassen. Und meine Mutter, die ein Leben lang zu ihrer Sicherheit mit eigener Bettwäsche gereist ist, hatte plötzlich das Gefühl, dass in einer solchen Situation auch keine eigene Bettwäsche mehr hilfreich ist. Und ihr lang ersehnter Wunschtraum, eines Tages einen Palazzo zu besitzen, in dem ihre Enkelkinder die sala würden entlangrennen können, war von einer Stunde zur anderen völlig unwichtig geworden. Sie hatte die halb verwesten Leichen gesehen und wollte nur noch weg.«
    »Und Lukas?«
    »Lukas?« Margarete zuckte mit den Schultern. »Er ist mitgetrottet. Er hat ohnehin nie eine eigene Meinung gehabt. Aber schwimmende Leichen im Kanal waren auch nicht unbedingt das, was er als Bild in seinen Augen mit nach Hause tragen wollte.«
    »Dann bist du jetzt allein«, stellte Crestina fest.
    »Allein, bis auf unseren Faktor. Den haben sie gezwungen dazubleiben. Und jetzt sitzt er mir im Nacken und will neben mir sitzen und mir endgültig diese doppelte Buchhaltung beibringen, diesmal gründlich. Was ihm die Gelegenheit bietet, ständig seine Hand auf meine zu legen und mir in die Ohren zu flüstern, was ich alles falsch mache. Und dass ich, falls ich ihn endlich erhöre, dies alles nicht mehr machen muss.«
    »Und wie geht es nun weiter?«,

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