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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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fragt, ob du nicht diese wunderbare Reise, die er vorhat, mit ihm zusammen machen willst. Für immer.«
    »Das glaubst du doch selber nicht«, spottete Crestina. »Komm, gib's auf.«
    »Ich gebe gewiss nicht auf«, sagte Margarete entschieden. »Meine Arbeit fängt gerade erst richtig an. Nun, da sie alle fort sind und mir nicht mehr dreinreden können, bin ich auf mich selbst gestellt. Und gestern hat mich bereits eine Adelige gefragt, ob ich ihr nicht ein Parfum machen könnte, mit dem sie am ersten Hochzeitstag ihren Mann überraschen kann.«
    Crestina lachte.
    »Nun, so weit bin ich gewiss noch nicht. Noch weiß ich nicht einmal, ob ich mir überhaupt vorstellen könnte, mit diesem Mann nach Zypern oder sonst wohin zu segeln.«
    Als sie abends in ihrer Kammer im Bett lag, noch einmal den Tag an sich vorübergleiten ließ, wusste sie noch immer nicht, welche Entscheidung sie treffen sollte: Das Schiff würde in vier Tagen auslaufen. Sie wälzte sich von der linken Seite auf die rechte, dann wieder auf die linke und nochmals auf die rechte. Dass sie zusammengezuckt war, als Leonardo den Namen Riccardos genannt hatte, irritierte sie. Sie hatte seit diesem seltsamen carnevale den Eindruck gehabt, dass sie sich geändert hatte, ein Stück weiter gekommen war, aber vermutlich hatte sie sich geirrt. Darüber zu reden bedeutete offenbar noch immer, dass irgendetwas schmerzte. Ganz davon abgesehen, dass sie ohnehin nie wusste, ob sie jemanden mit dieser Trauer belästigen durfte oder nicht.
    Unten vom Kanal her war der Ruderschlag von einer ganzen Reihe von Booten zu hören, Stimmen wurden laut, jemand lachte, jemand sang, jemand spielte Laute. Bei dem Klang der Laute sprang sie aus dem Bett. Sie hatte Riccardos Kammer seit ihrem Einzug in dieses Haus genau ein einziges Mal aufgesucht, nämlich, als sie die Kleider ihres Bruders herausgeholt hatte, mit denen sie nach Padua geritten war. Dann hatte sie die Tür wieder abgeschlossen, den nahezu unsichtbaren Hebel in jenem mächtigen Schrank vor der Tür wieder umgelegt.
    Sie warf einen Umhang über ihr Nachtgewand, zündete eine Kerze an und stieg die Treppe in das Obergeschoss hinauf. Sie versuchte leise zu gehen, aber die Stufen knarrten so sehr, dass sie annahm, Margarete würde binnen kurzer Zeit die Treppe heraufkommen.
    Als sie die Kammer fast erreicht hatte, hörte sie irgendwo Tauben aufflattern. Vielleicht waren es auch Fledermäuse. Sie schirmte die Kerze ab, versuchte ihr Flackern zu verhindern. Und legte den Hebel im Schrank um.
    Dann stand sie in Riccardos Zimmer.
    Auch nach dieser langen Zeit konnte sie seinen Geruch noch spüren. Sein Lederwams hing noch über der Lehne des Stuhls, seine Pfeife lag auf dem Tisch, sein Tabaksbeutel daneben.
    Was sie suchte, war der Würfel, den Riccardo damals geteilt hatte. Die Hälfte, die er ihr geschenkt hatte, der Teil, den sie später hatte durchbohren lassen und als Talisman um den Hals getragen hatte, war inzwischen verschwunden, und sie wusste nicht, wo sie ihn verloren hatte. Aber die andere Hälfte, Riccardos Hälfte, konnte sie ebenfalls nirgendwo entdecken, als sie das Zimmer durchsuchte. Oberflächlich fürs Erste, wie sie sich eingestand.
    Als Lea um die Mittagszeit in aller Hetze ins Ghetto zurückgekehrt war, blieb sie schockiert am Eingang ihrer Straße stehen: Vor dem Buchgeschäft hatte sich eine Traube von Leuten gebildet, die sich um einen Mann und eine hochschwangere Frau scharte. Die beiden hatten vor sich einen Teppich ausgebreitet, so, als wollten sie den Eingang zu Leas Laden freundlicher gestalten. Weitere Teppiche lagen neben ihnen, nachlässig zusammengerollt. Auf einem Karren an der Seite waren Tücher, mit denen diese Teppiche vermutlich verpackt worden waren. Moise hüpfte lachend und singend mit einem kleinen Mädchen um die Teppiche im Kreis herum.
    »Er hat also schon das nächste Tohuwabohu angezettelt«, murmelte Lea erzürnt und hastete so rasch sie konnte die Straße entlang – von Leibweh keine Spur.
    »Ich kann ihn nicht mehr ohne Aufsicht allein zu Hause lassen.«
    Bevor sie den Menschenauflauf erreicht hatte, waren der Mann und die Frau in ihrem Laden verschwunden. Eine Nachbarin rief Lea ein fröhliches »Sabbat Schalom« zu. »Endlich werdet Ihr wieder einen vollen Tisch bekommen!«
    Lea versagte es sich, etwas zurückzuwünschen, und rief stattdessen nach Moise. Der aber rannte mit dem Mädchen die Straße entlang und ließ mit einem Stecken einen Kreisel laufen.
    »Er lässt

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