Stadt der Blumen strava3
einverstanden. »Nehmt ihn mit«, sagte er. »Er ist euch vielleicht von Nutzen.«
»Es muss nur jemand auf meinen Hund aufpassen«, sagte Sandro. »Der will bestimmt nicht wieder in das Boot.«
»Ich pass auf ihn auf«, sagte Georgia und ergriff die klatschnasse Schnur, die um Fratellos Hals gebunden war. Plötzlich war sie völlig erschöpft, aber es gab noch viel zu tun im Waisenhaus und Giuditta brauchte sie.
Die Jungen eilten die Treppe hinunter in die überschwemmte Halle. Lucien nahm die Ruder und Sky setzte sich ihm gegenüber, während sich Sandro auf den feuchten Boden des Bootes kauerte.
Sie glitten auf die Piazza hinaus und Lucien wandte sich vom Waisenhaus nach Westen. Er suchte nach einer befahrbaren Straße, die sie in südliche Richtung zu der Dominikanerkirche bringen würde. Santa-Maria-im-Weingarten lag sogar noch näher am Fluss und in einer Gegend, die als erste überflutet worden war.
Als sie die Piazza vor dem Kloster erreichten, sahen sie nur noch die Spitzen der hölzernen Obelisken aus dem Wasser ragen.
»Der Kreuzgang ist bestimmt überschwemmt«, sagte Sky, »und die Klosterapotheke steht mindestens anderthalb Meter unter Wasser. Was sollen wir machen?«
»Wir müssen es versuchen«, sagte Lucien. Neben der schwarzweißen Kirche lenkte er das Boot durch einen schmalen Torbogen und steuerte direkt in den kleinen Kreuzgang hinein.
Der Kreuzgang mit den Bögen lag unter Wasser und Sky sah mit einem Blick, dass alle Pflanzen und das Gemüse unrettbar verloren waren. Sie mussten das Boot zum gegenüberliegenden Ende des Kreuzgangs bewegen und es den Gang entlangsteuern, wobei ihre Köpfe fast die Decke berührten. Doch dann hatten sie es geschafft und den großen Kreuzgang erreicht, an dem die Farmacia und Suliens Zelle lagen. Sandro stieß einen entsetzten Schrei aus, als er sah, was für Schäden das Hochwasser angerichtet hatte.
Die Tür vom Kreuzgang in das Laboratorium war offen gewesen, als das Wasser kam. Destillierkolben und Tiegel schwammen herum, Flaschen und Gefäße waren von der Wucht der einströmenden Wassermassen zerschmettert worden.
»Es ist absolut hoffnungslos«, sagte Lucien. »Nicht ein Präparat, das auf seiner Liste steht, ist noch zu gebrauchen.«
»Was ist mit dem Zeug aus seiner Zelle?«, fragte Sky. »Die Arznei in dem verschlossenen Schrank könnte noch in Ordnung sein.«
Da gab es allerdings ein Problem. Die Tür zwischen dem Laboratorium und Suliens Zelle war geschlossen und das Gewicht des Wassers drückte sie zu. Sie steuerten das Boot in den Kreuzgang zurück.
»Seht mal«, sagte Sandro, »da ist ein Deckenfenster, durch das ich reinklettern könnte.«
Das stimmte. Es gab ein kleines, verglastes Oberlicht in Suliens Zelle. Keiner der beiden anderen wäre in der Lage gewesen, sich hindurchzuzwängen. Lucien zerschlug die Scheibe mit einem Ruder und Sandro übernahm den Schlüssel von Sky. Sie sahen zu, wie er hineinkletterte, dann hörten sie ein Aufklatschen und einen Schrei, als der Junge auf der anderen Seite landete.
»Großer Gott, sag jetzt bloß nicht, dass er nicht schwimmen kann!«, stöhnte Lucien.
Enrico eilte im Waisenhaus von Raum zu Raum. Er hatte den Leichnam von Prinz Carlo gesehen und die halb toten Gestalten der anderen beiden Prinzen. Aber etwas anderes nagte noch an seinem Unterbewusstsein. Etwas, das mit der Duchessa und ihrer Zofe zu tun hatte.
Plötzlich stand Prinzessin Beatrice vor ihm und holte ihn aus seinen Gedanken.
»Da seid Ihr ja!« Zur Abwechslung war sie mal erfreut ihn zu sehen. »Ich brauche Eure Hilfe.«
Beatrice, Giuditta und Georgia hatten mit den Nonnen eine Art von Pflegedienst gebildet und befolgten die Anweisungen von Sulien und Dethridge. Nicht nur die Verwundeten und die traumatisierten Prinzessinnen mussten versorgt werden, sondern auch die Waisenkinder. Die Nonnen waren zudem völlig aus dem Häuschen, weil der Papst höchstselbst unter ihrem Dach weilte, ganz abgesehen von dem Großherzog von Tuschia. Sie hetzten Enrico treppauf und treppab und ließen ihn kleine Aufträge für sie erledigen. Unter anderem sollte er auch seinem Herrn etwas Wein bringen und er wusste nicht, wie er empfangen werden würde.
Doch Niccolò machte nicht Enrico für den Überfall verantwortlich; er wusste wohl, wer die Schuld trug. Hatte er nicht mit eigenen Augen gesehen, wie Camillo Nucci seinen zweitgeborenen Sohn erstochen hatte? Enrico erkannte den fiebrigen Blick in den Augen seines Herrn; so hatte der Herzog
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