Stadt der Blumen strava3
hüpften und an den Leinen zerrten, mit denen sie weit unten im Wasser festgemacht waren. Raffaela durchschnitt eine der Leinen so tief unter Wasser wie möglich mit einem Dolch, der ihr am Gürtel hing.
»Ich fliege mit Merla zum Dach des Waisenhauses zurück«, sagte sie. »Du brauchst sie ja noch, um heute Abend nach Remora zurückzukommen.«
Georgia nickte. Sie kämpfte mit dem Boot, denn sie war noch nie gerudert, außer einmal auf dem See im Hyde Park in London. Außerdem war alles nass. Ihr Haar und ihre Kleidung waren durchtränkt, im Boden des Bootes schwappte Wasser und die Ruder waren glitschig und sehr schwer. Ein kalter Wind peitschte den überfluteten Fluss zu Wellen auf und zunächst konnte sie nicht sehen, wohin sie fahren musste. Doch allmählich gelang es ihr, das Boot zwischen den Säulen des Platzes mit dem Zunftgebäude hindurchzusteuern. Die Stadt war geisterhaft still und sie fröstelte. Es war eine unheimliche Vorstellung, in einer Höhe, die fast ihrer Körpergröße entsprach, über die Stelle zu gleiten, wo gestern das Turnier stattgefunden hatte. Und als Letztes hätte sie erwartet, dass jemand plötzlich ihren Namen rufen würde.
Es war Sandro, der mit seinem kleinen Hund unter dem Arm auf einem Steinlöwen saß. Bei dieser neuerlichen Komplikation fluchte Georgia leise vor sich hin, doch sie machte das Boot am Fuß des Löwen fest und überredete Sandro einzusteigen. Es war nicht ganz klar, wer sich mehr vor dem Schaukeln des Bootes fürchtete, Sandro oder sein Hund.
»Ich bring dich zum Waisenhaus«, sagte Georgia. »Da sind auch alle anderen.«
»Was ist passiert?«, fragte Sandro und versuchte den Hund in seinem Wams aufzuwärmen.
»Womit soll ich anfangen?«, fragte Georgia und legte wieder ab. »Kannst du vielleicht rudern?«
»Ich kann es ja versuchen«, sagte Sandro.
Georgia warf einen Blick auf seine dünnen Arme und seinen unterernährten Körper.
»Nein, lass nur. Bis dahin schaffe ich es noch. Aber dann überlasse ich es lieber Luciano und Sky.«
»Bruder Tino?«, fragte Sandro. »Was haben sie vor?«
»Sie müssen zum Kloster, um Arznei für Bruder Sulien zu holen«, erwiderte Georgia. »Weißt du, dass die Nucci in der Kirche losgeschlagen haben?«
»Ich hab gehört, wie die Leute etwas gerufen haben«, sagte Sandro. »Aber ich habe ja unter der Loggia gesessen und konnte nichts weiter herausfinden.«
»Ganz viele Menschen sind umgekommen oder verwundet worden«, sagte Georgia. »Gaetano und sein ältester Bruder sind ernsthaft verletzt und Prinz Carlo ist tot.«
Sandro fuhr so heftig zusammen, dass das Boot wankte. »Er tut mir nicht Leid, er war nämlich ein Mörder«, sagte er.
»Aber Gaetano ist keiner«, entgegnete Georgia, »und wir müssen alles tun, um ihn zu retten.«
Sie hatten die überflutete Piazza der Verkündigung erreicht. Sandro half Georgia an den Brunnen vorbei zum Waisenhaus zu steuern. Das Eingangstor war noch offen und das Erdgeschoss trotz der Stufen, die hinaufführten, überflutet. Sie mussten die Ruder einziehen und das Boot glitt durch die Tür. Innen konnten sie es an dem Steingeländer der Treppe festmachen. Fratello sprang aus dem Boot, schüttelte sich und rannte dankbar die Stufen hinauf. Er sah sich um, ob ihm Sandro auch folgte.
Sky staunte, als er den jungen Spitzel sah, vor allem, als er ihm berichtete, wie er hergekommen war. Da erschien auch schon Georgia, die sehr mitgenommen aussah. Sulien war erleichtert sie heil wieder zu sehen, aber er benötigte immer noch dringend die Arzneien für seine Patienten.
»Ich würde ja selbst fahren«, sagte er, »aber ich werde hier gebraucht. Bist du sicher, Sky, dass du es mit Luciano schaffst?«
Skys Arm war steif geworden und schmerzte ziemlich. Er glaubte nicht, dass er rudern konnte, aber er kannte sich gut in der Klosterapotheke aus. Und von ihnen allen hatte Lucien am wenigsten Angst vor Wasser; er war ein erstklassiger Schwimmer und lebte schließlich in einer Stadt, in der die Straßen Kanäle waren.
»Nimm diesen Schlüssel«, sagte Sulien. »Was ich am meisten benötige und wofür ich nicht schnell Ersatz finde, das steht in dem verschlossenen Schrank in meiner Zelle. Auf dem Gefäß steht ›argentum potabile‹. Nur damit kann ich die jungen Prinzen retten.«
»In Ordnung«, sagte Sky zuversichtlicher als er sich fühlte. Er steckte den Schlüssel ein.
»Lasst mich auch mitkommen«, sagte Sandro. »Ich bin nicht schwer und ich weiß, wo alles ist.«
Sulien war
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