Stadt der Blumen strava3
Selbstvertrauen war durch den Stich in die Schulter angekratzt, auch wenn die Wunde nicht ernst war. Nicholas fand es an der Zeit, Sandros Vorschlag auszuprobieren. Er schob sich durch die Menge, bis er so stand, dass sein Vater ihn sehen konnte, auch wenn das bedeutete, dass er den magischen Kreis der Stravaganti verließ. Dann streifte er die Kapuze zurück.
Enrico grübelte nun doch weiter über das Gespräch mit Rinaldo nach und hatte Schwierigkeiten, sich auf den Kampf zu konzentrieren. Jemand war auf jeden Fall in dem Glassalon gestorben, und wenn es nicht die Duchessa gewesen war, wer dann?
Plötzlich sank der Großherzog auf die Knie und griff sich an die Brust.
»Die Göttin steh uns bei!«, murmelte Enrico. »Krieg jetzt bloß keinen Herzanfall!«
Er eilte an die Seite seines Herrn. Gaetano richtete seinen Vater wieder auf und reichte ihm noch etwas Wasser. »Falco!«, flüsterte Niccolò. »Ich habe ihn gesehen, Gaetano, da drüben!«
Enrico blickte umher, konnte aber in der Menge niemand Auffälligen entdecken.
Wo der Graf hindeutete, stand ein junger Mönch, einer von Suliens Novizen, der die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte.
Doch Prinz Gaetano schien verstört. »Wir sollten den Kampf abbrechen, Enrico«, sagte er.
»Nein, nein«, wehrte der Großherzog ab und strich sich mit der Hand über das Gesicht. »Es ist nichts – eine Halluzination. Gib mir noch einen Schluck Wasser.
Ich kämpfe weiter.«
Die Duchessa drängte nach vorne, um zu sehen, was geschehen war.
»Ist es vorbei?«, rief sie aus. »Gibt der Großherzog auf?«
Sky stand ihr am nächsten. Er schüttelte den Kopf. Arianna machte eine Bewegung nach vorne, doch das Duell würde gleich weitergehen. Es war gefährlich, wenn sie den Degen zu nahe kam.
»Silvia«, rief Sky. »Guido! Haltet sie zurück.«
Silvia. So hatte die alte Duchessa geheißen. Enrico sah, wie die ältere Frau und der Attentäter die junge Duchessa gemeinsam zurückhielten. Rinaldo hatte Recht gehabt. Das war Silvia, die Duchessa von Bellezza, und sie hielt ihre Tochter in ihren Armen.
Und mit einem Mal wusste Enrico auch genau, was mit seiner Verlobten passiert war. Wenn die alte Duchessa noch lebte, hatte sie eine Doppelgängerin eingesetzt. Das hatte sie schon öfters gemacht. Und die Frau, die sie eingesetzt hatte, war Enricos Verlobte Giuliana gewesen.
Als Enrico den Zweikämpfern die Degen reichte, achtete er darauf, dass Lucien den bekam, der vergiftet war. Das war ein ganz spontaner Entschluss. Eine nie gefühlte Woge des Hasses stieg in ihm empor, als ihm klar wurde, dass er seine eigene Verlobte getötet hatte, dass er sie in lauter Fetzen hatte explodieren lassen – auf Befehl des Großherzogs.
Um Rinaldo würde er sich später kümmern und vielleicht auch um die ehemalige Duchessa, die ihn getäuscht hatte. Jetzt wollte er Niccolòs Tod, den Tod des Mannes, der die Ermordung angeordnet hatte. Nur seinetwegen war Giuliana nicht mehr am Leben.
Die beiden Duellanten umkreisten einander vorsichtig und tauschten Stöße aus.
Der Großherzog beschleunigte das Tempo und zwang Lucien zurückzuweichen.
Nicholas trat vor und zog wieder die Kapuze zurück. Der Großherzog strauchelte und in diesem Moment stieß Lucien zu. Es war nur ein leichter Stoß, doch die Spitze durchbohrte die Haut und Niccolò ging zu Boden.
Die Sekundanten des Großherzogs eilten herbei. »Du musst es jetzt abbrechen«, sagte Gaetano zu Enrico. »Sieh ihn an, er ist nicht kräftig genug, um fortzufahren.«
Der Großherzog sah tatsächlich viel angegriffener aus, als der Stoß hatte vermuten lassen. Lucien hatte seinen Degen verwirrt gesenkt. Enrico nahm ihm die Waffe ab. Bruder Sulien kam aus der Menge, um seine Heilkünste zur Verfügung zu stellen. Doch der Großherzog wurde von Krämpfen geschüttelt. In seinem Todesschmerz griff er nach einem rot blühenden Busch, der in einem Kübel am Weg stand, und blutrote Blütenblätter rieselten auf ihn herab. Es war ganz offensichtlich, dass Luciens Degen vergiftet gewesen war. Doch beide Waffen waren verschwunden und mit ihnen der Sekundant des Großherzogs.
Niccolò di Chimici lag direkt vor ihren Augen im Sterben.
»Gift«, sagte er zu Sulien und krallte sich in dessen Kutte. »Ich habe einen der Degen vergiften lassen. Man muss sie vertauscht haben.«
»Was für ein Gift?«, fragte Sulien drängend. »Sagt mir den Namen.«
Doch der Großherzog schüttelte nur leicht den Kopf. »Das weiß ich nicht«, flüsterte er,
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