Stadt der Blumen strava3
Ehrengast unserer Stadt angemessene Geschenke zu senden«, überlegte Niccolò.
»Wenn es nach mir ginge, müsste ihre Statue übrigens eine Vertragsrolle in der Hand halten – den Vertrag, den sie hoffentlich mit meiner Familie abschließen wird.« Es ärgerte ihn, dass die Künstlerin besser über die Pläne der Duchessa Bescheid wusste als er. Was war los mit dem Aal und seinem Schnüfflerring?
Doch Niccolò ließ sich seine Verärgerung nicht anmerken. Stattdessen leerte er seinen Wein und erhob sich. Er konnte sich den Impuls verkneifen, seine kostbare Samthose abzuklopfen, und trat an den Marmorblock. Er hatte die Duchessa seit Falcos Tod und ihrer raschen Abreise aus Remora nicht mehr gesehen, aber er dachte oft an sie.
Arianna Rossi war für Herzog Niccolò eine unerledigte Aufgabe. Sie hatte sich seinen Wünschen widersetzt und hatte seinen Sohn als Freier abgelehnt, genau wie ihre Mutter, die sich ihm und allen Verbindungen mit den Chimici stets widersetzt hatte. Niccolò musste einen Weg finden, mit Arianna zurechtzukommen.
Der weiße Marmor ließ ihn an die sahnefarbene, makellose Haut der Duchessa denken und er verließ die Werkstatt der Bildhauerin, indem er über Jugend und Unschuld sinnierte – und darüber, wie wenig sie auf Dauer dem Alter und der Erfahrung entgegenzusetzen hatte.
Sulien nahm Sky mit auf seinem Gang durch das Labyrinth. Zunächst hatte der Junge aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert Bedenken. All dieses Singen und Meditieren und langsame, schweigende Abschreiten kam ihm irgendwie zu esoterisch vor. Aber es funktionierte. Als er das schwarzweiße Steinlabyrinth betreten hatte, war Skys Geist noch ganz durcheinander gewesen. Aber langsam beruhigte er sich.
Zuerst hatte ihm Sulien von William Dethridge erzählt. »Er war der erste Stravagante, ein elisabethanischer Alchimist, der Gold herzustellen versuchte und stattdessen – nach einer Explosion in seinem Laboratorium – das Geheimnis der Reise durch Raum und Zeit entdeckte.«
»Und sein Laboratorium hat sich dort befunden, wo jetzt meine Schule und mein Haus stehen?«
»So scheint es«, sagte Sulien. »Als ich auf Anweisung von Doktor Dethridge und Rodolfo deinen Talisman hinbrachte, habe ich ihn auf der Schwelle gelassen, die zu deinem Haus gehören muss.«
Sky lächelte, als er sich den Mönch in Islington vorstellte. Doch Mönche und Nonnen und ähnliche Menschen trugen ja auch in Skys Zeit noch ähnliche Kutten, daher hatte er wohl keine übermäßige Aufmerksamkeit erregt.
»Sie haben gesagt, dass Dethridge und Rodolfo Ihnen den Rat gegeben haben, aber wie haben Sie denn mit ihnen gesprochen? Sie haben gesagt, dass die beiden jetzt in Bellezza leben, und Telefone gibt es hier ja noch nicht.«
Da hatte ihm Sulien einen schlichten, ovalen Handspiegel gezeigt, in dem Sky nicht sein eigenes Gesicht sah, sondern einen dunkel getäfelten Raum mit vielen seltsamen Instrumenten. Sulien ließ die Hand über die Oberfläche gleiten, schloss die Augen und konzentrierte sich. Und dann tauchte ein Gesicht auf, hager und knochig, mit Adleraugen und silbrig durchzogenem schwarzem Haar.
»Maestro«, sagte Sulien. »Ich möchte Euch unseren neuen Bruder zeigen.«
Er hatte Sky aufgefordert direkt in den Spiegel zu blicken und der Junge sah sich plötzlich Rodolfo gegenüber. Es war ein beunruhigendes Erlebnis gewesen – und bisher hatte Sky auch noch nichts in Talia erlebt, das übernatürlich genannt werden konnte.
Rodolfo wirkte äußerst freundlich und einladend, doch Sky wusste, dass er mit einem mächtigen Stravagante sprach – und zwar durch einen Zauberspiegel.
Grund genug, verwirrt und aufgeregt zu werden!
Als Sky das Labyrinth nach zwanzig Minuten verließ, war er wieder ganz gelassen. Sulien folgte ihm fünf Minuten später.
»Unfassbar«, sagte Sky.
»Es war schon da, als ich hier eintraf«, sagte Sulien. »Ich habe es eines Tages unter einem Läufer entdeckt, aber die anderen Brüder konnten nichts damit anfangen. Man muss nicht daran glauben; man muss es einfach machen. Ich schreite es jeden Morgen und jeden Abend ab, einfach nur, um meinen Mittelpunkt zu finden, wann immer es nötig ist.«
Sky sah ihn beunruhigt an.
»Keine Sorge«, sagte der Mönch. »Ich erwarte nicht von dir, dass du es genauso oft machst. Nur wenn du meinst, dass du es brauchen kannst. Ich wollte es dir einfach mal zeigen.«
Sky war erleichtert. Und er ahnte bereits, dass er diese Erfahrung wiederholen würde.
Der Aal wartete vor dem
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