Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
hinten gebundenes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Er kam mir irgendwie bekannt vor.
»Nein, das ist eher kein Freund«, erwiderte ich.
Da trat Mart aus dem Mitternachtstor. Er huschte in seinem schwarzen Anzug lautlos wie ein Schatten über den Boden, sprang hoch empor und landete gänzlich mühelos auf dem Zaun. Der andere Mann hatte ihn nicht gehört.
»Haben Sie hier schon einmal gekämpft?«, fragte er. Seine Stimme hatte einen ganz leichten französischen Akzent.
Ich schüttelte den Kopf.
»Und wo sonst?«
Wo nicht? Ich nannte meinen ersten Kampfplatz. » Hoyo de Sangre . Vor langer, langer Zeit.«
Mart beobachtete mich. Sein Gesichtsausdruck wirkte irgendwie seltsam. Er blickte eindeutig raubtierhaft, schaute gleichzeitig aber auch beinahe wehmütig.
»Ah.« Der Mann nickte. »Ein scheußlicher Ort. Aber keine Sorge. Der Sand ist überall gleich.«
Ich lächelte. »Hier ist er kalt.«
Er nickte erneut. »Ja, das stimmt. Aber das macht kaum einen Unterschied. Wenn Sie die erst mal lärmen hören … « Er sah zu den leeren Sitzen hinauf. »… fällt Ihnen alles wieder ein. Wie lange ist das her?«
»Zwölf Jahre.«
Er hob die Augenbrauen. »Zwölf? Das kann nicht sein. Sie sind doch noch viel zu jung und zu schön … « Ihm stockte die Stimme. » Mon Dieu, je me souviens de toi. Petite Tueuse … «
Er trat einen Schritt zurück, als wäre der Maschendrahtzaun zwischen uns mit einem Mal glühend heiß, und ging dann fort.
Ich blickte zu Mart hinüber. »Hey, Blonder! Wo ist denn dein tätowierter Freund? Mit dem hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen!«
Er sah mich nur an.
»Du bist nicht gerade der Gesprächigste, hm?« Ich zog Slayer und strich mit den Fingerspitzen die Klinge entlang. Er betrachtete mein Schwert.
Der Zaun war viel zu hoch. Selbst wenn ich Anlauf genommen hätte, hätte ich nie so hoch springen können, dass es für einen guten Hieb gereicht hätte.
»Jagst du der Konkurrenz schon mal ein bisschen Angst ein?«
Vor Schreck machte ich einen Satz von der Stimme fort, dann sah ich Curran am Zaun stehen.
Wenn ich ihm nun eine Handvoll Sand entgegengeschleudert hätte, wäre ihm das nur recht gewesen. Ich hatte ihn überhaupt nicht kommen hören. Ein Mann von seiner Größe konnte eigentlich nicht so leise sein, aber er bewegte sich so lautlos wie ein Gespenst. Wie lange er dort schon stand, ließ sich nur vermuten.
»Mach ich dir Angst, oder bist du einfach nur schreckhaft?«
Ich schenkte ihm einen finsteren Blick. »Vielleicht empfinde ich den Klang deiner Stimme auch einfach nur als abstoßend, und das war eine instinktive Reaktion.«
»Und der da löst bei dir keine instinktiven Reaktionen aus?«
Mart lächelte.
»Er und ich, wir treffen uns auf dem Sand wieder. Bis dahin muss ich mich gar nicht mit ihm abgeben.«
Curran betrachtete Marts Gesicht. »Ich werd nicht schlau aus ihm. Will er dich nun lieber töten oder ficken?«
»Die Entscheidung nehme ich ihm gerne ab.«
Curran richtete den Blick wieder auf mich. »Wieso lockst du bloß immer solche Widerlinge an?«
»Das müsstest du mir doch aus eigener Erfahrung erklären können.« Ha! Treffer, versenkt!
Mart sprang vom Zaun herab und verschwand durch das Mitternachtstor.
Ich ging in die entgegengesetzte Richtung, zum Goldenen Tor. Curran kam dorthin und hielt mir das Tor im Maschendrahtzaun auf. Ich blieb stehen. Das kam ein wenig unerwartet. Männer hielten mir eher selten eine Tür oder ein Tor auf.
»Was ist los?«
»Ich überlege, ob das eine Falle sein könnte.«
»Komm da raus«, knurrte er.
»Wirst du dich jetzt auf mich stürzen?«
»Willst du, dass ich mich auf dich stürze?«
Ich beschloss klugerweise, über diese Frage gar nicht erst nachzudenken. Die Antwort hätte beängstigend ausfallen können.
Ich ging durch das Tor. Curran schloss sich mir an.
»Sind wir jetzt aufgeflogen? Hast du ihnen befohlen, ihre Sachen zu packen und nach Hause zu gehen?«
»Aufgeflogen seid ihr auf jeden Fall. Aber, nein, ich werde mit euch kämpfen.«
Ich blieb stehen und sah ihn an.
»Mit uns? In der Grube?«
»Ja. Bin ich dir nicht gut genug? Wäre dir Saiman lieber?«
Hm. Der Herr der Bestien, auch Götterkiller genannt, gegen den hysterischen Eisriesen. Da fiel die Entscheidung nicht schwer.
»Aber was ist mit Andorf und mit deinem ersten Gesetz?«
»Was soll mit Andorf sein?«, fragte er.
»Hast du ihn tatsächlich damals zur Strecke gebracht? Mit gerade mal fünfzehn Jahren?«, platzte ich
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