Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
nicht«, murmelte Derek.
Doolittle gab einen verärgerten Laut von sich, der klang wie das Brummen eines Bärs – wenn der Bär nicht viel größer gewesen wäre als ein Teddy.
»Du bist ein Dachs!«, sagte ich und lächelte. Ja, das passte zu ihm.
Derek verdrehte die Augen. »Kommst du da jetzt erst drauf? Dieser Moschusgeruch ist doch wohl echt nicht zu überriechen … «
»Das war aber wirklich nicht nett«, sagte Doolittle und schüttelte den Kopf. »Undankbarer Bengel.«
Ich nahm mir von einem noch nicht belegten Bett die Decke und das Kissen und ging damit in eine freie Ecke.
»Was stimmt denn nicht mit dem Bett?«, fragte Derek.
»Ich schlafe nicht gut mitten zwischen anderen Leuten«, sagte ich und schlug auf dem Fußboden mein Lager auf. »Nein, das nehme ich zurück: Ich schlafe sehr gut mitten zwischen anderen Leuten. Es könnte bloß passieren, dass ich nachts aufwache und mein Schwert steckt jemandem im Bauch. Wenn du es wärst, würde ich mich natürlich einfach nur umdrehen und weiterpennen.«
Jim kam herein und sprang aus dem Stand auf eins der oberen Betten. Von dort bot sich ihm ein ausgezeichneter Blick über den ganzen Raum.
»Wo ist Dali?«, fragte ich ihn.
»Im Whirlpool.« Jim zuckte die Achseln, auf seinem Gesicht zeigte sich ein leichter Widerwille. »Hinter der Umkleide gibt’s einen. Wenn’s irgendwo nur ein bisschen fließendes Wasser gibt, springt sie da sofort rein. Tiger halt.«
»Ich wusste gar nicht, dass Jaguare so wasserscheu sind.« Ich hatte ihn auch schon schwimmen sehen. Und es schien ihm Spaß zu machen.
»Ich schwimme gern – wenn’s irgendwelche Fische oder Frösche zu jagen gibt.«
Jaguar-Logik. »Sind alle rechtzeitig eingetroffen?«
»Bis auf den Freak.«
Wie ich Saiman kannte, musste er wahrscheinlich noch Leute anheuern, die seine ganzen Klamotten schleppten.
Dali kam herein, züchtig in ein Saunatuch gehüllt, das sie aber sofort fallen ließ, um mir zuzuwinken. Dann begann sie sich anzuziehen.
Mit einem Mal auf der Hut, hob Derek den Kopf. »Da kommt jemand. Mehrere Personen.«
Rene erschien im Eingang. »Euer Chef lässt sich entschuldigen. Der ursprünglich als Stein vorgesehene Kämpfer ist leider verhindert, aber Durand hat euch einen Ersatzmann geschickt.« Sie trat beiseite. »Rein mit Ihnen.«
Eine mir nur allzu bekannte Gestalt stand in der Tür. Ich erstarrte.
»Weitermachen«, sagte Rene und ging.
Eine Grabesstille senkte sich über den Raum. Keiner regte sich.
»Also gut«, sagte Curran. »Dann wollen wir uns mal unterhalten.«
Er nahm Raphael beim Arm und hob ihn von der Bank, als wäre er ein kleines Kätzchen. Mit der anderen Hand packte er die nackte Dali, beförderte die beiden in den Schlafraum und schloss die Tür hinter sich.
Andrea ließ sich auf der Bank nieder, die der Schlafraumtür gegenüberstand. Links und rechts legte sie ihre SIG -Sauer bereit. Sie hatte eine grimmige Miene aufgesetzt.
»Wenn er Raphael was tut, knall ich ihn ab. Nur dass du Bescheid weißt.«
»Du hast dir das mit Raphael überlegt?«
»Ich bin noch dabei, es mir zu überlegen«, erwiderte sie. »Und ich werde mir diese Entscheidung nicht vom Herrn der Bestien dadurch abnehmen lassen, dass er ihn zum Krüppel schlägt.«
»Ziel auf die Eier«, riet ich und ging hinaus.
Ich schlenderte den Korridor runter zum Goldenen Tor. Der riesige Saal der Arena war menschenleer, und ich war mit dem Sand allein.
Ich ging durch das Tor im Maschendrahtzaun und betrat die Grube. In meinen Träumen war der Sand stets mit Blut getränkt, doch dieser Sand hier lag friedlich und sauber da. Ich bückte mich, nahm eine Handvoll davon und ließ ihn durch meine Finger rieseln. Er fühlte sich seltsam kalt an.
Die Sandkörner fielen wie ein Schleier herab und beschworen Erinnerungen herauf. Hitze. Blutgeschmack in meinem Mund. Aufgeschlitztes, knallrotes Fleisch. Tote Augen, die zum Himmel glotzten. Der blendend grelle Sonnenschein. Das Gebrüll des Publikums. Ein Schmerz in der linken Schulter: der Biss eines Werjaguars. Ein Schmerz in der Seite: von einer Lanze getroffen. Ein Schmerz in der rechten Wade: der rasiermesserscharfe Schwanz eines flinken Reptilienmonsters, für das ich keine Bezeichnung wusste …
»Als würde man einem alten Freund begegnen, nicht wahr?«
Ich wandte mich um und erblickte einen älteren Mann, der mich durch den Maschendrahtzaun hindurch ansah. Er hatte ein breites, faltiges, von der Sonne gegerbtes Gesicht. Sein schwarzes, nach
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