Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
leuchtend rote Kiefer mit dämonischen, nadelspitzen Zähnen. Dieses Leuchtmaul schnappte über der Lamia zu – am Hals, an den Ellenbogen, an der Taille – und verschwand. Man hörte ein lautes Knirschen, dann klappte der Kopf der Lamia in ihren Nacken, die Ellenbogen ragten plötzlich aus den Armbeugen, und das ganze Wesen kippte zur Seite wie eine Blume mit abgeknickten Stängel.
Ich wandte mich langsam zu Dali um und starrte sie entgeistert an. Sie zuckte nur die Achseln. »Hat geklappt. Was denn?«
Das Publikum tobte.
Jim erwartete uns am Goldenen Tor. Er hatte die Zähne gebleckt. »Was war mit knapp gewinnen?«
»Du hast gesagt, wir sollten einen unfähigen Eindruck verbreiten. Schau mal, ich hab nicht mal mein Schwert eingesetzt. Ich hab ihn mit ’nem Kopfstoß ausgeknockt, wie den letzten Blödmann.«
»Ein Schwertkämpfer hat dich angegriffen, und du hast ihn in nicht mal zwei Sekunden entwaffnet und bewusstlos geschlagen.« Er wandte sich an Curran.
Der Herr der Bestien zuckte die Achseln. »Es ist nicht meine Schuld, dass der nicht richtig fallen kann.«
Jims Blick wanderte von Curran zu Dali. »Was zum Teufel war das denn?«
»Das purpurrote Maul des Todes.«
»Und wann wolltest du mir mitteilen, dass du so abgefahrene Sachen draufhast?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich Flüche beherrsche.«
»Du hast gesagt, sie würden nicht funktionieren!«
»Ich hab gesagt, dass sie nicht immer funktionieren. Aber dieser hier hat offenbar funktioniert.« Dali runzelte die Stirn. »Es ist ja nicht so, dass ich dazu käme, diese Flüche gegen leibhaftige Gegner einzusetzen. Das war echt ein Glückstreffer.«
Jim sah uns an. Das Klemmbrett in seinen Händen kriegte einen Knacks. Er machte kehrt und ging davon.
»Ich glaube, wir haben ihn gekränkt«, sagte Dali, seufzte und lief Jim hinterher.
Curran sah mich an. »Was hätte ich denn tun sollen? Hätte ich diesen Werbison etwa auffangen sollen, als er gestolpert ist?«
Zurück in unserem Quartier schnappte ich mir einen Satz frische Klamotten und ging duschen. Als ich wiederkam, hatte die Red Guard schon das Abendessen gebracht: Rindereintopf und frisches Brot. Raphael verschwand gleich nach dem Essen, und die Gestaltwandler luden mich zum Pokern ein.
Ich hatte natürlich nicht die geringste Chance gegen sie. Denn ich bestand, das erfuhr ich nun, von Kopf bis Fuß aus Signalen: Sie konnten meinen Herzschlag hören, sie nahmen die Veränderungen meiner Schweißproduktion wahr, und sie zählten, wie oft ich blinzelte, und schon wussten sie, was ich für Karten hatte. Wenn wir Strip-Poker gespielt hätten, hätte ich in null Komma nichts mit blankem Arsch dagesessen. Schließlich passte ich endgültig, legte mich auf mein Bett und las eins der Taschenbücher, die Doolittle mitgebracht hatte, denn er selbst war ja anderweitig beschäftigt. Der liebe Onkel Doktor entpuppte sich als ausgebuffter Pokerprofi. Hin und wieder sah ich kurz zu den Zockern hinüber. Die sechs Gestaltwandler saßen reglos wie Statuen da, und ihren Gesichtern war nichts anzumerken, und sie hoben kaum einmal die neuen Karten, um übernatürlich schnell einen Blick darauf zu werfen. Es war ein seltsames Gefühl, einzuschlafen, während andere Leute um mich herum waren, aber die vollkommene Stille, in der ihr Spiel vonstatten ging, hatte etwas beinahe Hypnotisches, und das lullte mich in den Schlaf.
Ich träumte davon, dass Curran und ich gemeinsam einen Dinosaurier erlegten und es anschließend im Schlamm miteinander trieben.
Kurz vor neun gingen Curran, Dali und ich zum Goldenen Tor, um Andrea, Raphael, Jim und Derek dabei zuzusehen, wie sie gegen die Killer antraten.
Die Magie herrschte erneut. Andrea grinste, als sie an mir vorüberging. Sie trug ihre beiden SIG -Sauer in Hüftholstern und hielt eine Armbrust in der Hand. Beim gegenwärtigen Stand der Magie würden die Pistolen nicht funktionieren, aber sie wollte offenbar vorbereitet sein, für den Fall, dass die Magie abebbte.
Jim und Derek hatten keine Waffen dabei und trugen nur graue Trainingshosen. Raphael hingegen war mit zwei taktischen Messern bewaffnet, die brünierte Klingen besaßen. Das Messer in seiner Linken hatte die Gestalt eines Tanto, eines japanischen Kampfmessers; das Messer in seiner Rechten hatte eine zweischneidige, blattförmige Klinge. Er trug schwarze Stiefel, eine maßgeschneiderte schwarze Lederhose – die ihm so gut saß, dass einem bei diesem Anblick das Herz stockte – und weiter
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