Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
meine Leibwächterin spielen«, versicherte mir Saiman.
»Und du musst nicht so tun, als wäre das hier ein Date.« Es war eine Frage des Prinzips. Wenn Saiman umgebracht wurde, während ich direkt neben ihm saß, konnte ich meine Messer einpacken und auf Landwirtschaft umsatteln.
»Ich kann nichts dagegen machen. Du siehst einfach zu hinreißend aus.«
»Kommt jetzt der Part, wo ich schließlich doch noch schwach werde?«
Der Mann stand auf und kam auf uns zu. Er war eher eins neunzig groß. Es gefiel mir gar nicht, wie geschmeidig er sich bewegte. Er war unverkennbar ein Schwertkämpfer. Ein außergewöhnlicher Schwertkämpfer, wenn er sich bei dieser Größe mit solcher Anmut zu bewegen vermochte. Groß, geschmeidig, tödlich.
Saiman seufzte. »Auf die Gefahr hin, unhöflich zu erscheinen: Es ist eine ausgesprochen undankbare Aufgabe, dich zu umwerben. Jedes Kompliment, das ich dir mache, wird prompt bestraft.«
»Dann lass die Komplimente doch einfach weg.«
Ein rothaariger junger Mann betrat das Aussichtsdeck. Der Schwertkämpfer verharrte mitten in der Bewegung. Der junge Mann ging zu ihm, flüsterte ihm etwas zu und trat dann beiseite. Er behandelte den Schwertkämpfer mit großer Ehrerbietung, wie einen hochrangigen Offizier. Der Schwertkämpfer sah noch ein letztes Mal zu mir herüber und verschwand.
Saiman kicherte.
»Ich weiß nicht, was daran lustig sein soll.«
Der Kellner brachte unsere Getränke: mein Wasser in einer Sektflöte und Saimans Cognac in einem schweren Bleikristallglas. Saiman nahm den Glasboden in die hohle Hand, um die dunkelbernsteinfarbene Flüssigkeit anzuwärmen. Dann hielt er sich das Glas unters Gesicht und ließ sich den Duft des Cognacs in die Nase steigen.
»Es ist doch klar, dass die Männer auf dich aufmerksam werden. Du bist eine bezaubernde Frau. Exotisch. Faszinierend. Und es bringt gewisse Vorteile mit sich, in meiner Gesellschaft gesehen zu werden. Ich bin ein attraktiver, erfolgreicher, angesehener Mann. Und außerdem steinreich. Mein Ruf ist in diesem Lokal über jeden Zweifel erhaben. Deine Schönheit und mein Status strahlen zusammengenommen einen großen Reiz aus. Du wirst feststellen, dass die Männer hier dich sehr begehrenswert finden. Wir beide würden ein tolles Paar abgeben … «
Ich spannte mein Handgelenk an, schnippte eine Silbernadel auf meinen Handteller und hielt sie ihm hin.
»Was ist das?«
»Eine Nadel.«
»Und was soll ich damit?«
»Die Luft aus deinem aufgeblähten Ego lassen.«
Die Tür des Aussichtsdecks öffnete sich, und zwei Männer kamen herein. Der linke war viel größer als der rechte. Sein Haar war kurz geschoren, und er hielt sich kerzengerade. Er trug eine schwarze Hose, Kampfstiefel und weiter nichts. Tribal-Tattoos, präzise ausgeführt und so tiefschwarz, als wären sie mit Pech aufgemalt, schlängelten sich an seinen Armen hinauf und zogen sich über seinen gesamten Oberkörper. Eine ausgesprochen kunstvoll ausgeführte Tätowierung, und ich fand es erstaunlich, dass sie vollständig einfarbig war.
Der Mann neben ihm hatte zitronenblondes Haar. Unten endete die Frisur akkurat an seiner Unterkieferlinie, darüber aber wuschelte sie wild um sein schmales Gesicht. Es war ein ausgefallener Haarschnitt für einen Mann, aber er kriegte es hin, damit nicht übertrieben feminin zu wirken.
»Da sind sie.« Saiman lehnte sich zurück.
»Die Reaper?«, flüsterte ich.
»Ja. Der dunkle Typ trägt den Künstlernamen Cesare. Und der Blonde nennt sich Mart.«
»Und wie heißen sie wirklich?« Wenn irgendjemand das wusste, dann Saiman.
»Ich habe keine Ahnung.« Saiman nippte an seinem Cognac. »Und das gefällt mir überhaupt nicht.«
Die Reaper kamen auf unseren Tisch zu.
»Soll ich auf irgendwas Bestimmtes achten?«
»Ich will wissen, ob sie menschlich sind.«
Ich beobachtete Mart. Er war schlank, fast mager, und trug einen offenen grauen Trenchcoat. Darunter erblickte ich eine Art Fassadenklettereroutfit: Der Stoff umschloss Brust und Beine schwarz und hauteng, ehe er in weichen, schwarzen Stiefeln verschwand. Wäre sein Anzug nicht so eng gewesen, hätte ich die minimale Anspannung seiner Beinmuskulatur gar nicht bemerkt. Er sprang empor und landete mühelos in der Hocke auf unserem Tisch.
Ausgezeichnete Balance. Er glitt beim Absprung nicht im Mindesten ab und landete auf den Zehen, der Tisch bewegte sich kaum.
Mart guckte strikt nach vorn und bot mir so sein markantes Profil dar. Sehr helle Augen, die Iris blau
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