Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
mit grauem Rand, aber zweifelsohne menschlich. Guter Knochenbau, maskulin, ohne offenkundige Schwächen. Gedrungene, aber schmale Gestalt mit schlanker Muskulatur. Lange Gliedmaßen bedeuteten gute Reichweite. Kein seltsamer Geruch. Also, mir kam er menschlich vor, aber andererseits hatte ich es noch nie erlebt, dass sich Saiman geirrt hatte. Irgendetwas musste ihm zu denken gegeben haben – aber was?
    Wenn man Zweifel hatte, war es am besten, im Bienenstock herumstochern, um zu sehen, ob irgendetwas Interessantes herausgeflogen kam. Ich klatschte Beifall. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Kampfmannschaften hier so hübsche Cheerleader haben. Kannst du das noch mal machen – aber diesmal mit ein bisschen mehr Begeisterung?«
    Mart wandte mir den Kopf zu und starrte mich an. Es war, als würde man einem Raubvogel in die Augen sehen: eisige Distanz und die Verheißung eines plötzlichen Todes.
    Ich tat, als würde ich nachdenken, dann schnippte ich mit den Fingern. »Jetzt weiß ich, was fehlt. Die Pompons!«
    Keine Reaktion. Ihm war klar, dass ich ihn beleidigt hatte, aber er war sich nicht ganz sicher, worin genau die Beleidigung bestand.
    Saiman kicherte.
    Mart starrte mich immer noch an. Seine Haut war makellos. Allzu makellos. Keine Kratzer. Keine Narben. Keine Unreinheiten, keine Pickel, keine Mitesser. Wie polierter Alabaster.
    »Was führt euch an unseren Tisch?« Saimans Stimme klang ganz entspannt. Ihm war keinerlei Nervosität anzumerken. Das musste ich Saiman lassen: Er hatte echt Mumm.
    Der Tätowierte verschränkte die Arme vor der Brust. Er war von schlaksiger Gestalt, Arme und Beine im Verhältnis zum übrigen Körper sehr lang. An seinen Armen zeichneten sich Muskeln ab, die aber eher lang als dick waren. Er starrte Saiman an.
    »Du wirst verlieren.« Er sprach die Worte überdeutlich aus, und seine tiefe Stimme hatte einen Akzent, den ich nicht einzuordnen vermochte.
    Ich streckte langsam die Hand aus, um Marts Gesicht zu berühren. Er packte meine Hand. Ich hatte kaum mitbekommen, dass sich seine Hand überhaupt bewegt hatte, und dann hielten seine Finger meine auch schon umschlossen. Er hatte einen Griff wie ein Schraubstock. Und er war unglaublich schnell. Wahrscheinlich schneller als ich. Das versprach interessant zu werden. Ich ließ meine Finger ganz locker. »Oh, bist du stark.« Und das war er tatsächlich. Andererseits aber vernachlässigte er seine Abwehr. Ich fragte mich, ob er wohl schnell genug war, ein Sektglas abzuwehren, wenn ich es zerbrach und versuchte, es ihm in die Kehle zu rammen. Die Versuchung war groß, es auszuprobieren.
    »Mart!« Saimans Stimme klang wie ein Peitschenhieb. »Wenn du sie kaputt machst, musst du sie bezahlen.«
    Mart wandte sich ihm zu. Es war eine sehr seltsame Geste. Er bewegte dabei nur den Kopf. Wie eine Eule. Oder eine Katze. Er ließ meine Finger los. Er hatte mich wahrscheinlich unterschätzt, weil ich eine Frau war und ein buntes Kleid trug.
    Eine dunkelhaarige Frau betrat das Aussichtsdeck. Sie war jung, vermutlich gerade mal achtzehn Jahre alt. Ihren Gesichtszügen nach wäre sie als Inderin durchgegangen: dunkle Augen, runde Wangen, sinnliche Lippen, langes dunkles Haar. Sie trug eine schlichte Jeans und ein dunkles, langärmliges Hemd, aber wie sie ging und sich dabei ein wenig in der Taille wiegte und die Schultern kaum merklich zurücknahm, um ihre Brüste besser zur Geltung zu bringen, führte dazu, dass ich sie mir in einem Sari vorstellte. Eine indische Prinzessin. Die Männer sahen ihr nach. Jede Wette, dass sie Livie war, der Adressat von Dereks Zettel. Es fiel mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie sie den jungen Werwolf dazu verleitet hatte, alle Vernunft über Bord zu werfen.
    Sie blieb ein paar Schritte vor unserem Tisch stehen und hielt den Blick gesenkt. »Asaan«, sagte sie leise zu Mart. »Die Herrin wünscht dich zu sehen.«
    Der Tätowierte bleckte die Zähne. Sie hatte seinen Einschüchterungsversuch unterbrochen.
    Die Frau neigte unterwürfig den Kopf.
    Jeden Augenblick würden die Reaper verschwinden, und dann war die Gelegenheit, ihr den Zettel zuzustecken, vertan. Was tun?
    Am Nebentisch erhoben sich zwei Frauen und gingen in die Ecke des Raums, in der ein Schildchen den Weg zu den Toiletten wies.
    »Ich muss mal!«, verkündete ich ein wenig zu laut, stand auf und starrte die dunkelhaarige Frau an. »Komm mit. Ich will nicht alleine gehen.«
    Sie sah mich an, als spräche ich Chinesisch. Los, du dumme Kuh, mach

Weitere Kostenlose Bücher