Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
zu gehen.
Ich blieb tatsächlich einen Moment lang stehen und wartete ab, ob mir so ein Anhaltspunkt vom Himmel herab vor die Füße fallen würde. Doch das Weltall weigerte sich, mir diesen Gefallen zu tun.
Wagen dreiundzwanzig befand sich zwanzig Meter links hinter dem Trümmerturm und bildete das Erdgeschoss eines aus drei Wohnwagen bestehenden Clusters. Die Bezeichnung »gelb« war recht freundlich gewählt. Mich erinnerte die Farbe des Wagens eher an trübe Morgenpisse. Es stank dort auch entsprechend, wobei allerdings nicht klar war, ob das von dem Wohnwagen oder den Müllbergen ringsum ausging.
An der Seite des Wagens entdeckte ich eine Reihe schwarzer und brauner Runen. Beim näheren Hinsehen erwiesen sich die braunen als unregelmäßig und abblätternd. Blut. Ich fragte mich, welches arme, streunende Tier wohl für Esmeraldas Wandschmuck sein Leben hatte lassen müssen.
Eine verrostete Metallveranda, die aussah, als wäre sie in einem früheren Leben ein Rost in der Kanalisation gewesen, führte zur Eingangstür. Sie gab ein wenig nach, als ich sie betrat, hielt dann aber doch stand, und ich schaffte es bis zur Tür.
»Warte mal, was ist denn damit?«, fragte Julie und wies auf die Runen.
»Was soll damit sein?«
»Sind die nicht magisch? Mom hat erzählt, dass Esmeralda gesagt hat, sie hätte ihren Wagen mit einem Zauberbann geschützt, der einem wie Glasscherben in die Finger schneidet.«
Ich seufzte. »Das stammt aus einer Ballade auf der letzten Seite des Codex Runicus , eines alten nordischen Rechtsdokuments. Sehr berühmt. Übersetzt heißt das: ›Heut Nacht träumte ich / von Seide und schönen Pelzen.‹ Glaub mir, wenn dieser Wohnwagen mit einem Wehr versehen wäre, hätte die Magie hier in Honeycomb längst kurzen Prozess damit gemacht.«
Ich sah mir das Türschloss an. Nichts Besonderes, aber im Schlösserknacken war ich nie sonderlich gut gewesen.
Schritte. Sie kamen in unsere Richtung, drei Personen. Und noch etwas. Etwas, das im Gewebe der Magie Wellen schlug. Julie spürte es auch und kam schnell zu mir auf die Veranda.
Die Schritte näherten sich. Ich drehte mich langsam um. Drei Männer kamen auf den Wohnwagen zu, der erste stämmig und breitschultrig, die anderen beiden schlanker. Der Größere der beiden schlanken Typen hatte sich das Ende einer langen Kette um den Arm gewickelt. Das andere Ende verschwand zwischen zwei Wohnwagen. Alle drei sahen gehörig bedrohlich aus.
Ein Schlägertrupp. Drei gegen einen – und dazu noch das, was auch immer sich am Ende der Kette befand. Sie wussten, wohin ich unterwegs war, wussten, dass ich Geld dabeihatte, wussten, in wessen Diensten ich stand, sonst wären sie nicht zu dritt gekommen, um eine einzelne Frau einzuschüchtern.
Schönen Dank auch, Custer. Das merke ich mir.
»Die drei Stooges?«, mutmaßte ich.
»Halt die Schnauze, du dumme Sau«, sagte einer der Schlankeren.
»Na, na, na.« Der kräftigere Schlägertyp lächelte. »Lasst uns doch höflich bleiben. Ich bin Bryce. Das ist Mory, und mein Kumpel mit der Kette da drüben, das ist Jeremiah. Wir sind bloß hier, um dafür zu sorgen, dass du das Wegegeld bezahlst. Sonst könnte es unangenehm werden. Und das will doch keiner.«
»Geht weiter«, sagte ich. »Ich habe bereits für die Informationen bezahlt.«
»So wie ich das sehe, hast du aber nicht genug bezahlt. Du lässt jetzt noch mal zweihundertfünfzig rüberwachsen – hundert Dollar Eintritt, und ’n Fuffi für jeden von uns, weil wir uns die Mühe gemacht haben, extra herzukommen.« Bryce legte eine Hand auf den Griff des Schlagstocks, den er sich in den Gürtel gesteckt hatte. »Mach keine Zicken. Du hast ein kleines Mädchen dabei. Du willst doch nicht, dass ihr irgendwas zustößt.«
Julie ging hinter mir in Deckung.
Bryce guckte wie ein Pitbull kurz vor einem Kampf. »Je länger wir hier zu tun haben, umso teurer wird’s für dich. Also sei schlau und rück die Kohle raus.«
Die Kette bebte. Aus der Lücke zwischen den Wohnwagen erklang ein unheimliches metallisches Rascheln. Jeremiah zerrte an der Kette. Darauf ertönte ein heiseres Knurren. Die Kette spannte sich, und seine Füße rutschten ein Stück weit mit.
Bryce’ Blick nach würden sie nicht eher verschwinden, bis Blut geflossen war. Ich musste es dennoch versuchen. »Ihr haltet euch für harte Kerle«, sagte ich und trat von der Veranda herab vor den Wohnwagen. »Und ich respektiere das. Ich aber mache das hier hauptberuflich. Und ich habe jede
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