Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
alle tierischen Aspekte, und er saß wieder in Menschengestalt vor mir.
Er massierte sich den Unterkiefer.
Das Tierische wurde während des Flairs stärker. Currans Gereiztheit hatte dazu geführt, dass er ein ganz klein wenig die Beherrschung verlor.
»Hast du technische Schwierigkeiten?«, fragte ich und bereute es augenblicklich. Einen Kontrollfanatiker auf einen Mangel an Selbstbeherrschung hinzuweisen war keine allzu gute Idee.
»Du solltest mich nicht provozieren.« Seine Stimme klang mit einem Mal ganz tief. Und er sah auch ein wenig hungrig aus. »Du weißt nicht, wozu ich fähig bin, wenn ich mich nicht vollkommen unter Kontrolle habe.«
Mayday, Mayday. »Mich schaudert, wenn ich daran denke.«
»So ist das nun mal: Ich bringe die Frauen zum Erbeben.«
Ha! »Bevor oder nachdem sie sich vor Angst eingemacht und dir ihren pelzigen Bauch zugewandt haben?«
Er beugte sich vor. »Ich gehe. Letzte Chance.«
»Myong war bei mir.«
»Ah«, sagte er. »Das.«
Seine Kiefernmuskeln spannten sich. Wir saßen etliche Minuten in grimmigem Schweigen da. Ich wartete, bis ich es nicht mehr aushielt. »Myong«, sagte ich noch einmal vorsichtig.
»Weißt du, wen sie heiraten will?«
Sie will meinen »ehemals angehenden« Freund heiraten, den ich einmal beschuldigt habe, ein Entführer, Vergewaltiger und Kannibale zu sein. »Ja.«
»Und dir ist das recht?«
»Ja.«
»Du lügst.«
»Es ist mir vielleicht nicht ganz so recht, wie ich es gerne hätte. Aber ich will sie auch nicht auseinanderhalten.« Na ja, Myong zu sehen versetzte mir schon einen Stich. Es hätte mir nichts ausmachen sollen, dass Crest sie offenbar für etwas Besseres hielt als mich, aber irgendwie wurmte es mich doch ein wenig. Sie war zweifellos viel schöner, eleganter, kultivierter. Doch andererseits war si e … die reinste Tussi. So der Typ Frau, die, wenn man sie bat, Tee zu machen, aus der Küche wiederkam, um einem mitzuteilen, dass das Wasser kochte, und dann erwartete, dass man sich um diesen Notfall kümmerte, während sie sittsam dasaß und abwartete.
»Ich finde, ich habe mich in dieser ganzen Angelegenheit bisher ziemlich vernünftig verhalten«, sagte Curran.
»Wieso meinst du?«
»Die beiden sind schließlich noch am Leben, oder etwa nicht?«
Vielleicht liebte er sie wirklich, und es tat ihm weh, sie zu verlieren. Vielleicht plapperte da nur sein Ego: das stolze Alphatier, das von einer schönen Frau verlassen worden war – wegen eines ganz normalen Menschenmannes, eines Schwächlings, den kaum ein Gestaltwandler, der ihm begegnet war, ausstehen konnte. Ich wünschte, ich hätte ihm und mir den Umgang damit irgendwie erleichtern können. Doch uns blieb nur, die beiden ihren Weg gehen zu lassen.
»Bitte, lass ihnen ihren Willen.«
Er erhob sich. »Darüber reden wir ein andermal.«
»Curra n … «
»Was?«
»Du wirst dich besser fühlen, wenn du ihnen ihre Freiheit lässt.«
»Wie kommst du auf die Idee, dass mich das überhaupt beschäftigt?« Er hätte beinah noch etwas gesagt, überlegte es sich dann aber anders und verließ den Raum.
Ich fühlte mich sehr einsam, als ich dort ganz allein auf meinem Bett saß. So einsam hatte ich mich das letzte Mal gefühlt, als ich erfahren hatte, dass Greg ermordet worden war.
Ich band den Bademantel auf und legte mich wieder hin. Der Gang ins Badezimmer und das anschließende spannungsgeladene Gespräch hatten mich erschöpft. Ich wollte, dass Curran die beiden heiraten ließ, damit ich die ganze Sache abhaken konnte.
Etwas regte sich draußen vor dem Fenster. Ich hob den Kopf. Nichts zu sehen. Nur ein rechteckiger Himmelsausschnitt kurz vor Beginn der Morgendämmerung. Wir waren hier im ersten oder zweiten Obergeschoss. In der Nähe standen keine Bäume. Ich ließ den Kopf wieder aufs Kissen sinken. Na toll. Jetzt hatte ich auch schon Halluzinationen.
Poch-poch-poch .
Eine Kampfschnepfe? Nein, das konnte nicht sein. Diese Mädels klopften nicht an. Ich schlüpfte aus dem Bett und ging zum Fenster. Kein Gitter. Keine Alarmanlage. Na ja, wenn man in fünf Litern Wasser einen Tropfen Blut wahrzunehmen vermochte, gab man sich vermutlich nicht groß mit Alarmanlagen ab. Und nur ein vollkommen Wahnsinniger würde in ein Haus voller Monster einbrechen. Ich wandte mich wieder ab.
Poch-poch-poch .
Also gut, dann spielte ich halt mit. Der Fensterriegel war so ein schwerer, altmodischer aus Metall. Ich musste mit beiden Händen zugreifen, um ihn aufzukriegen. Ich legte Slayer auf
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