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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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glaubte ich, sie würde gleich umkippen.
    Auf ihren Rippen hätte man Xylophon spielen können. Sie hatte keine Brüste. Ihre Knie traten vor, waren viel zu groß für die streichholzdünnen Beine. Und über ihre linke Hüfte zogen sich hässliche Beulen und bildeten eine groteske, picklige Geschwulst.
    Sie reckte das Kinn. Magie strömte aus ihr hervor. Ihre Stimme erfüllte die Kuppel, drang mir in die Ohren und tief in meinen Geist hinein.
    »Wir sind das Orakel. Wir dienen den Zirkeln. Sie vertrauen auf unsere Macht, unsere Weisheit, unsere Prophezeiungen. Wir wahren den Frieden. Wir schützen sie. Schau dir die Wände an. Dort siehst du unsere Gräber, bewahrt im Bauch der Schildkröte. Und so wie wir zu Staub zerfallen, erstehen wir neu, denn wenn eine von uns dreien stirbt, wird ein Kind geboren, um ihre Stelle einzunehmen.«
    Ihr Blick durchdrang mich. Und über ihr ragte, schwarz auf der grauen Wand, die dreiarmige Hekate empor. »Wir sind das Messer, das Wissen und die Fackel, welche die Finsternis vertreibt.«
    Die Alte war das Messer, die Mutterhexe musste wohl das Wissen sein, und die Fackel stand nun vor mir. Die Fackel, welche die Finsternis vertreib t … Sie war diejenige mit der prophetischen Gabe.
    »Ich sah vorher, dass jemand kommen würde. Ich wusste nicht, wer es sein würde, aber ich sah sein Kommen vorher.«
    Sie atmete einmal tief durch. »Ich sterbe. Mein Körper steckt voller Tumore, und weder Magie noch Medizin können mir helfen. Aber ich fürchte mich nicht davor zu sterben. Nach meinem Tod wird innerhalb von drei Jahren ein neues Orakel geboren werden, um an meine Stelle zu treten. Doch es wird etliche Jahre dauern, bis sie in der Blüte ihrer Macht steht. Ich bin zu krank, und Maria ist zu alt.«
    In den nächsten Jahren konnte das Orakel auf eine einzige Hexe zusammenschrumpfen. Und so konnte es womöglich ein Jahrzehnt lang bleiben. Zur Bestätigung sah ich zu der Mutterhexe hinüber. Sie hatte eine Hand vor den Mund gehoben und sah mit vor Trauer verzerrten Zügen die Junge an.
    »Wir versuchen nicht, uns dem Lauf der Natur in den Weg zu stellen. An Marias Alter können wir nichts ändern. Aber es gibt eine Möglichkeit, mich zu heilen.« Die Junghexe schwankte ein wenig. »Meine allerletzte Chance. Das Blut von Morrigans Hundsfott ist ein Allheilmittel. Du willst ein junges Mädchen retten? Ich gebe dir die Gelegenheit dazu: Rette mich! Bringe mir das Blut, und ich werde dir alles verraten, was du wissen willst.«
    Die Junghexe sank wieder auf ihr Sofa. Die Mutter erhob sich und bedeckte den zerbrechlichen Leib mit dem schwarzen Gewand. Die schwarze Seide, die zuvor so luxuriös gewirkt hatte, nahm nun die schreckliche Anmutung eines Leichentuchs an.
    »Wie viel von dem Blut?«, fragte ich.
    Die Mutterhexe richtete sich auf, griff in ihren Ärmel und zog ein Blutentnahmeröhrchen aus Plastik hervor. »So viel. Hier drücken und dann hochschieben. Dann kommt die Nadel raus. Sobald Blut kommt, zieht sich die Nadel wieder ein. Dann setzt du die Kappe drauf und bringst uns das ganze Ding.« Sie seufzte. »Du musst ihn im Nebel treffen. An Morrigans Stätte. Dort ist sein Blut am wirksamsten. Und noch etwas: Das Blut darf nicht gegen Geld oder Gefälligkeiten erworben sein. Es muss bedingungslos fließen, sonst verliert es seine magische Macht.«
    Wie zum Henker sollte ich das denn hinkriegen?
    Ich ging zu dem Podium und nahm das Röhrchen entgegen.
    »Und wie komme ich zu diesem Nebel?«
    Die Mutterhexe griff nach ihrer Strickarbeit. »Nessel und Hundsfotthaar, miteinander verstrickt. Du weißt doch, wie man eine Beschwörung durchführt, nicht wahr?«
    »Ja.« Woher hatte sie denn Haare von ihm?
    »Dann ist ja gut«, sagte sie. »Und jetzt geh. Sienna muss sich ausruhen.«
    Ich wandte mich um und sah, wie die roten Säulen in sich zusammensanken. Zum Vorschein kamen der Vampir und das Monster, das eigentlich mein Kumpel war. Die Zirkel, die sie bannten, verschwanden, und Derek trottete auf mich zu, in seinen Augen leuchtete gelbes Feuer.

Kapitel 17
    E ine Unverschämtheit!«, fauchte der Vampir.
    »Was hätte ich denn tun sollen?« Ich trat hinaus auf den Centennial Drive, schüttelte mir das Laub aus den Haaren und ging über die Straße zu dem Hähnchenrestaurant. Normalerweise machte ich einen großen Bogen um frittiertes Essen, aber heute war ein Ausnahmetag: Ich hatte im Schnee getanzt, war durch Schildkrötenspeichel gewatet und war mit Glyphenzirkeln gebannt worden, und nun

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