Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
wirst. Aber früher oder später müssen wir alle die Zeche bezahlen. Eines Tages wirst du lachen und scherzen und dich aus deinem Bett wälzen, und dann wirst du stürzen. Dann werden es keine drei Tage Bettruhe sein, sondern drei Monate.«
Ich griff nach seiner Hand. »Danke, dass du mich wieder in Ordnung gebracht hast. Ich wollte dir keinen Ärger machen.«
Er verzog das Gesicht. »Trink. Du brauchst Flüssigkeit.«
Jemand klopfte an die Tür.
»Ich bin’s«, sagte Jims Stimme.
Doolittle reichte mir ein Sweatshirt. Ich zog es an, und er ließ Jim herein. Jim sah aus, als hätte er Ziegelsteine gekaut und Steinmehl ausgespuckt.
Er nahm sich einen Stuhl, stellte ihn neben mein Bett, setzte sich und sah mich an.
Ich erwiderte seinen Blick. »Tut mir leid, dass ich dich angefasst habe. Wird nicht wieder passieren.«
»Alles klar. Du warst nicht du selbst. Geht es dir jetzt besser?«
»Ja.«
»Also versuchen wir es noch einmal. Berichte mir von deinem Kampf.«
»Hat Dali dir von Erra erzählt?«
»Ja.«
Ich schilderte ihm den Kampf, ließ die familiären Verbindungen aus und beschrieb meine Rettung.
»Schuppen«, sagte Jim.
»Genau.«
Ich wusste, was er dachte. Mit Lyc-V infizierte Gestaltwandler waren Säugetiere. Es gab einige Fälle, bei denen sich Menschen in Reptilien oder Vögel verwandelt hatten, aber jedes Mal waren keine Viren, sondern externe magische Faktoren dafür verantwortlich gewesen, und bei keiner dieser Transformationen hatte es ein Zwischenstadium gegeben. Die Gestaltwandlerin, die mich gepackt hatte, war in ihrer Kriegergestalt gewesen. Zur Hälfte menschlich, zur Hälfte etwas Schuppiges.
»Was für Augen hatte sie?«, fragte Doolittle.
»Olivgrüne Iris, geschlitzte Pupille, rötliches Leuchten.«
»Leuchten ist kein gutes Zeichen«, sagte Doolittle. »Hyänenaugen reflektieren das Licht in allen möglichen Farben, doch Bouda-Augen schimmern ausschließlich rot. Aber die geschlitzte Pupille ist interessant.« Er blickte sich zu Jim um.
»Da war ein Mann auf dem Dach«, sagte ich. »Sie hat ihn runtergeworfen. Geht es ihm gut?«
Jim nickte. »Er hat das Gleiche gesagt: Schuppen, rote Augen, Schwanz. Einen ähnlichen Geruch habe ich schon einmal wahrgenommen.«
»Was war es?«
Jim zog eine Grimasse. »Ein Krokodil.«
Krokodil-Gestaltwandler? Was hatte die Welt noch alles für uns auf Lager?
»Es sind schon seltsamere Dinge passiert.« Doolittle deutete auf mein Glas. »Trink.«
Ich zeigte Jim das Glas. »Der gute Doktor hat mir einen ganzen Löffel Honig in den Tee getan.«
»Du trinkst Tee, den ein Honigdachs zubereitet hat«, sagte Jim. »Was hast du erwartet?«
Doolittle schnaufte und machte sich daran, Verbandsstoff und Instrumente in seinen Arztkoffer zu packen.
»Wenn du sie nicht auf mich angesetzt hast, wer dann?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Jim.
Curran konnte es nicht gewesen sein. Für die Sicherheit war Jim zuständig. Wenn Curran fand, dass ich einen Bodyguard brauchte, hätte er Jim gebeten, sich darum zu kümmern.
Curran. Ui.
»Wo sind wir?«, wollte ich wissen.
»In einem der Satellitenhäuser des Wolfsclans«, sagte Jim. »Das Haus des Clans der Wölfe liegt außerhalb der Stadt, aber sie haben noch ein paar Stützpunkte in Atlanta. Dies war am nächsten.«
»Und Curran?«
»In der Festung.«
»Hast du ihm gesagt, was passiert ist?«
»Noch nicht. Gibt es noch mehr, was du mir erzählen musst?«
»Nein.«
Er machte keine Anstalten, sich zu erheben. »Gibt es noch etwas, das du mir erzählen möchtest?«
Katze und Meisterspion – eine tödliche Kombination. »Nein. Wie kommst du darauf?«
Jim lehnte sich zurück. »Du bist eine miserable Lügnerin.«
»Das ist wahr.« Doolittle rollte sein Stethoskop auf. »Ich habe mit dir gepokert, junge Dame, und jedes Mal, wenn du ein gutes Blatt hattest, wusste es der ganze Tisch.«
»Täuschungen sind dir unangenehm«, sagte Jim. »Auf der Straße funktioniert das für dich recht gut. Wenn du ankündigst, jemandem wehzutun, wird niemand bezweifeln, dass du es ernst meinst. Aber wenn du wegen eines Auftrags zu mir kommen würdest, wärst du eine Minute später gefeuert.«
»Gut. Also bin ich eine schlechte Lügnerin.« Ich blickte Jim über den Rand des Glases an. »Aber das bedeutet nicht, dass ich etwas verberge. Vielleicht war das einfach nur die ganze Geschichte.«
»Du versteckst dich hinter dem Glas und hältst es gegen deine Lippen gepresst, damit die Worte nicht herauskönnen«, sagte
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