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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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einzutreiben.
    »Richtig. Was kann ich für dich tun?«
    Ich lächelte. »Ich möchte mir dein Schwert ausborgen.«
    *
    Die Nacht war eiskalt, und ich holte Karmelion, meinen alten ramponierten Pick-up in gallegrüner Farbe. Ihm fehlten die Frontscheinwerfer, und er hatte mehr Beulen als eine zerknüllte Cola-Dose, aber er lief auch während einer magischen Woge, und er würde mich warmhalten. Außerdem erzeugte er genügend Lärm, um Tote zu wecken, aber das war mir egal. Das Wärmeargument war stärker.
    Ich brauchte zwei Stunden, um das Schwert zu besorgen und Atlanta hinter mir zu lassen. Vor der Wende hatten sich viele Bewohner Atlantas den Luxus erlaubt, als Pendler von den Kleinstädten auf dem Land in die Stadt zu fahren. Mit Unterstützung der Magie hatte die Natur diese unentwickelten Landstriche mit alarmierendem Tempo zurückerobert. Alle Lebewesen erzeugten durch ihre bloße Existenz Magie, und wenn sie es mit reglosem Beton und Stahl zu tun hatten, gewannen Pflanzen sehr schnell die Oberhand. Die einstigen Felder waren inzwischen zu dichten Wäldern geworden. Sie verschluckten Tankstellen und abgelegene Farmhäuser und zwangen die Menschen, enger zusammenzurücken. Bäume mit schwarzen, blattlosen Ästen flankierten die Straße, wie Kohlezeichnungen auf dem Schnee.
    Ich lugte in die Dunkelheit und tätschelte den Kampfpudel. Ich hatte den Beifahrersitz für ihn zurückklappen müssen, weil er einfach zu groß war. »Ich hoffe, ich komme nicht von der verdammten Straße ab.«
    Der Pudel gab ein tiefes Knurren von sich und rollte sich enger zusammen.
    Das lang gezogene Heulen eines einsamen Wächters hallte durch die Nacht und kündigte unser Eintreffen an.
    Wir nahmen eine scharfe Kurve und bewegten uns einen kaum erkennbaren schmalen Weg zwischen dicken Eichen hinauf. Er schlängelte sich nach links und rechts, bis sich die alten Bäume teilten und wir auf eine weite Lichtung kamen. Das gewaltige Gebäude der Festung ragte vor uns auf. Die Kreuzung zwischen Burg und modernem Fort erhob sich undurchdringlich und düster wie ein Berg über den Wald. Sie war auf althergebrachte Art errichtet worden, mit einfachem Werkzeug und übermenschlicher Kraft, wodurch sie magiebeständig war. Seit ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte man den Nordflügel größtenteils fertiggestellt, und die Wand des Innenhofs war nun etwa fünf Meter hoch.
    Ich lenkte Karmelion durch das Tor auf den Hof. Eine vertraute Gestalt kam zum Pick-up geschlendert. Derek. Seinen typischen Wolfsgang würde ich überall erkennen.
    Noch vor drei Monaten war Derek ein hübscher Kerl gewesen. Er hatte ein perfektes männliches Gesicht gehabt, das man fast als schön bezeichnen konnte, und dunkle, samtige Augen, bei denen sich Frauen wünschten, wieder fünfzehn zu sein. Dann hatten Rakshasas ihm schmelzflüssiges Metall ins Gesicht geschüttet. Die Verletzungen waren verheilt. Er war keineswegs entstellt, obwohl er selbst sich so sah, aber sein Gesicht hatte die perfekten Züge verloren.
    Seine Nase war jetzt dicker, das Kinn klobiger. Seine Augenbrauenwülste ragten weiter vor, wodurch seine Augen tiefer in den Höhlen zu liegen schienen. Das lag daran, dass Lyc-V die Knochen und Knorpel als Reaktion auf den Schock verstärkt hatte. Die Haut am Haaransatz der linken Schläfe war dauerhaft vernarbt, wo sich Stücke seines zertrümmerten Schädels in den Muskeln festgesetzt hatten. Ich hatte die Stelle einmal berührt, und es hatte sich wie Salzkörner knapp unter der Haut angefühlt. Mit längerem Haar wäre die Narbe praktisch unsichtbar, aber Derek trug sein Haar weiterhin kurz. Es gab noch mehr kleine Details – die leichte Änderung seiner Mundform, die netzförmigen feinen Narben auf der rechten Wange. Nun erweckte sein Anblick den Wunsch, Rückendeckung anzufordern. Er sah wie eine ältere, vernarbte, boshaftere Version von sich selbst aus.
    Und seine Augen hatten nichts Samtiges mehr. Ein einziger Blick in diese Augen genügte, und man wusste, dass ihr Besitzer schlimme Dinge erlebt hatte, und falls er sauer wurde, wünschte man sich weit, weit weg.
    Ich machte den Motor aus. Die plötzliche Stille war ohrenbetäubend.
    Derek öffnete mir die Tür. »Hallo, Kate.« Er hatte die Stimme eines Wolfs, kratzig, mit harten Kanten und einem gelegentlichen hämischen Unterton. Die Tortur bei den Midnight Games hatte auch seine Stimmbänder dauerhaft geschädigt. Er würde nie wieder den Mond anheulen, ob mit oder ohne Fell, aber sein

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