Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
oder besungen, bis er sich ergeben hatte –, waren eigentlich für gertenschlanke Kerle bestimmt. Der Protektor sah darin aus wie Gene Autry, nachdem er sich allzu lange ausschließlich von Twinkie-Törtchen ernährt hatte.
Der oberste Ritter sah mich an. Er hatte ein breites Gesicht, ein kantiges Kinn und eindringlich blickende blaue Augen unter buschigen Brauen. Seine Nase war, nachdem sie zu oft gebrochen worden war, ein wenig unförmig. Der Hut auf seinem Kopf verbarg sein Haupthaar, oder wahrscheinlich eher den Mangel daran, aber ich hätte darauf gewettet, dass das, was von seinem Haupthaar noch übrig war, grau und kurz geschoren war.
Der Protektor lud mich mit einem Wink ein, in einem der kleineren roten Sessel vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Ich setzte mich und erhaschte dabei einen Blick in den Karton auf dem Tisch. Er enthielt einen halb verspeisten, mit Marmelade gefüllten Donut.
Der Protektor lauschte weiter in den Hörer, also sah ich mich ein wenig in seinem Büro um. Ein großer Bücherschrank, ebenfalls aus dunklem Kirschholz, an der Wand gegenüber. Darüber eine hölzerne Landkarte von Texas, die mit Stacheldrahtstücken dekoriert war. Eine goldene Inschrift unter jedem einzelnen Stück vermerkte Hersteller und Baujahr.
Der Protektor beendete das Telefonat, indem er auflegte, ohne ein Wort gesprochen zu haben. »Wenn Sie mir irgendwelche Papiere zu zeigen haben, wäre jetzt der richtige Moment dafür.«
Ich überreichte ihm meinen Söldnerausweis und ein halbes Dutzend Empfehlungsschreiben. Er sah sich alles an.
»Wasser und Abwasser, hm?«
»Ja.«
»Man muss entweder knallhart oder strohdumm sein, wenn man heutzutage noch in die Kanalisation hinabsteigt. Also, was von beidem sind Sie?«
»Strohdumm bin ich nicht, aber wenn ich Ihnen nun sage, ich sei knallhart, halten Sie mich ja doch bloß für ein Großmaul, und deshalb lächle ich lieber geheimnisvoll.« Ich schenkte ihm mein schönstes geheimnisvolles Lächeln. Er fiel nicht vor mir auf die Knie, küsste mir nicht die Schuhe und legte mir auch nicht die Welt zu Füßen. Ich muss wohl ein bisschen aus der Übung sein .
Der Protektor warf einen Blick auf die Unterschrift. »Mike Tellez. Mit dem hatte ich schon zu tun. Arbeiten Sie regelmäßig für ihn?«
»Mehr oder weniger.«
»Worum ging es diesmal?«
»Er hatte ein Problem, große Ausrüstungsgegenstände wurden fortgeschleppt. Jemand hatte ihm gesagt, er hätte es da mit einem jungen Marakihan zu tun.«
»Das sind Meereslebewesen«, entgegnete er. »Die würden in Süßwasser nicht überleben.«
Ein Fettsack, der mit Puderzucker bestäubte Marmeladen-Donuts futterte, ein Fransenhemd trug und andererseits ein seltenes magisches Wesen identifizieren konnte, ohne auch nur darüber nachdenken zu müssen. Der Protektor. Ein Mann, der wirklich was von Tarnung verstand.
»Und Sie sind Mikes Problem auf den Grund gegangen?«, fragte er.
»Ja. Er hatte den Impala-Wurm«, antwortete ich.
Wenn er beeindruckt war, ließ er es sich nicht anmerken. »Haben Sie ihn zur Strecke gebracht?«
Sehr witzig. »Nein, ich habe ihn nur vergrault.«
Die Erinnerung daran kam wieder hoch, und einen Augenblick lang bewegte ich mich erneut durch einen schummrig erleuchteten Tunnel, der bis in Hüfthöhe mit flüssigen Exkrementen geflutet war. Mein linkes Bein brannte vor Schmerz, und ich kämpfte mich humpelnd weiter voran, während hinter mir der riesenhafte, bleiche Leib des Wurms in den schmutzigen Schlamm blutete. Das seidig glänzende grüne Blut wirbelte auf der Schlammoberfläche herum, jede einzelne Blutzelle ein winziger Organismus, der von einem einzigen Ziel besessen war: sich wieder zu vereinen. Ganz egal, wie oft und wie weit voneinander entfernt dieses Wesen auftauchte, es war immer derselbe Impala-Wurm. Es gab nur diesen einen, und er hörte nie auf, sich neu zu bilden.
Der Protektor legte meine Papiere auf den Schreibtisch. »Also, was wollen Sie?«
»Ich ermittle im Fall Greg Feldman.«
»In wessen Auftrag?«
»In meinem eigenen.«
»Soso.« Er lehnte sich zurück. »Und weshalb?«
»Aus persönlichen Gründen.«
»Kannten Sie ihn denn persönlich?« Er stellte die Frage in einem gänzlich ausdruckslosen Ton, aber es war offenkundig, was er damit andeuten wollte. Ich war froh, dass ich ihn enttäuschen konnte.
»Ja. Er war ein Freund meines Vaters.«
»Soso«, sagte er erneut. »Ihr Vater könnte das nicht zufällig bestätigen?«
»Nein, er ist tot.«
»Das
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