Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
hatte.
Die ganze Saaldecke wimmelte von Vampiren.
Es waren Dutzende. Sie waren nackt und wanden sich auf obszöne Weise umeinander, enger zusammengedrängt als Büchsensardinen. Sie bedeckten die Stuckdecke vollständig, wie ein mittelalterliches Höllenbildnis, das zum Leben erwacht war, und es kamen immer noch mehr dazu, huschten durch ein dunkles Loch in der Ecke in den Saal.
Wie viele waren es? Vierzig? Fünfzig? Hundert? Und wie viele von ihnen stammten noch aus der Vorwende-, Vormagiezeit? Ich versuchte es zu erspüren und wurde von einer eiskalten Woge des Hasses übermannt. Mindestens zwanzig. Es war eine nette Überraschung, die Olathe uns wahrscheinlich hatte präsentieren wollen, wenn wir den Sieg schon sicher glaubten. Bloß dass nun ausgerechnet sie in diesem Moment starb und die Vampire damit freigab und ihrer ungehemmten Blutgier überließ.
Eine Horde heißhungriger Vampire, die ihrer Blutgier ungehemmt nachgeben konnten. Wir würden alle hier sterben: Curran, Mahon, Jennifer, ich. Und nachdem sie uns erledigt hatten, würden die untoten Monster auf die Straßen hinausströmten und über die ganze Stadt herfallen.
Am anderen Ende des Saals riss Curran gerade einen Vampir entzwei und schleuderte die zerfetzten Hälften zu Boden.
Dutzende Menschen, die in diesem Moment noch friedlich schliefen, würden den Tod finden. Sie würden ohnmächtig mit ansehen müssen, wie ihre Kinder in Fetzen gerissen wurden.
Ich kniete mich hin und legte Olathes Brust frei. Das Fleisch teilte sich unter der Klinge, dann riss ich ihren Brustkorb auf, als wäre es eine Bärenfalle. Sie zischte mich an. Ich griff in ihre Brust und packte ihr Herz, stellte so eine Verbindung zwischen uns her. Durch ihr Blut spürte ich die Schar der Vampire, die an ihrem eigenen Wahnsinn förmlich erstickten.
Das ist der falsche Weg , sprach die Stimme meines Vaters aus meiner Erinnerung. Gib dem nicht nach .
Es gibt keinen richtigen Weg .
Ich schnitt mir noch tiefer in den Arm, ließ mein Blut sich mit dem Olathes vermischen und gewann so langsam die Kontrolle. Sie erbebte und trampelte mit den Schubabsätzen auf den Boden. Wenn ich sie sterben ließ und die Horde der Vampire damit freigelassen wurde, würden sie sich zerstreuen, ehe mein Geist die Kontrolle über sie übernehmen konnte. Ich war in der Lenkung der Untoten nicht ausgebildet, und meine einzige Option bestand darin, durch diese Blutsverbindung unsere Macht miteinander zu verschmelzen und so ihren Todeszeitpunkt zu kontrollieren, damit in dem Moment, in dem sie starb und aus den Geistern der Untoten verschwand, diese mich an ihrer Stelle vorfinden würden.
Sie wusste, was ich vorhatte. Sie bleckte auf animalische Weise die Zähne, hatte aber nicht mehr die Macht, sich dieser Blutsverbindung zu widersetzen. Die Magie meines Bluts überwältigte die des ihren. Meine Macht breitete sich aus, strömte hinaus in die Geister der Vampire. Ich biss die Zähne zusammen, drückte fest zu, zerquetschte ihr Herz und beendete damit ihr Leben. Die Macht ballte sich in meiner Faust, zwang mich, mich zu erheben.
Olathe zuckte. Sie verdrehte die Augen nach hinten, und die volle Last der Horde ging auf mich über.
Der Saal erbebte. Es waren zu viele. Viel zu viele.
Ein brennendes Band schloss sich um meine Brust, drückte mir die Kehle und den Schädel zusammen und wollte mich zermalmen. Ich strauchelte. Mir wurden die Knie schwach. Ich riss den Mund auf. Ich bekam keine Luft mehr.
Ich wusste, dass ich sie nicht alle hatte übernehmen können – trotz der Blutsverbindung. Durch das Hämmern ihrer Geister erspürte ich einzelne Nachzügler, die vor Blutgier fast vergingen. Ich hetzte ihnen die Horde auf den Hals. Nun wogte die Saaldecke unter den Leibern, die einander an die Gurgel gingen. Stuckbrocken brachen herab und prasselten direkt neben mir aufs Parkett. Die Blutsflammen verbargen das Tosen vor dem restlichen Saal.
Ich breitete die Arme aus und kämpfte um mein Gleichgewicht. Ich sah mit den Augen der Vampire und erblickte einen langen Riss in der Decke. Gott sei Dank .
Die Decke erbebte, als Dutzende Klauen hineinschlugen.
Vage erkannte ich Jennifer hinter der Flammenwand. Meine Lippen formten ein Wort.
»Raus!«
Sie starrte mich an, konnte mich durch die Flammen nicht hören.
»Raus!«
Mit einem Mal war Curran bei ihr. Er sagte etwas, das aber nun ich nicht verstehen konnte.
»Raus! Sofort raus!«
Er schob eine Hand in die Flammen und riss sie wieder zurück, sein
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