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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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mich. Schließlich sagte ich: »Immer.«
    Ich war zu Städten in ausgehöhlten Felsen gereist, zu einem Planeten, auf dem linienförmige Städte wie ein filigranes Netz aufgezogen waren, zu trockenen Orten mit einer nicht atembaren Luft und zu Orten, über die ich nichts zu sagen vermochte. Einige waren unabhängig. Viele gehörten, ob frei oder nicht, zu Bremen. »Sie lassen niemals eine Kolonie zusammenbrechen«, behauptete ich. Wir alle hatten das gehört. »Niemals.« Egal, ob die Transportkosten die Preise von Schmuckstücken und Fachkenntnissen überwogen, die zurückbefördert wurden: Sie würden diese Stadt nicht sausen lassen, solange wir ihnen gehörten.
    Meine Kameraden nickten langsam. Wyatt nicht.
    »Jesus, Avice«, entgegnete er. »Wie klingst du denn? ›Es ist ein Grundsatz unserer Politik …‹« Da war eine seltsame Schadenfreude in ihm: das Dissidententum eines Funktionärs, der bekannte Textpassagen als verlogene Floskeln bloßstellte, die er selbst viele Male gesprochen hatte. »Du weißt, von wie vielen Kolonien man sich tatsächlich getrennt hat, oder? Du hast doch die Tabellen gesehen, die Grabsteinsymbole im Immer.«
    Ich kannte die Geschichten von Planeten, die von menschlichen und menschlich-außerirdischen Ruinen übersät waren, wo Hochhäuser in fremdartigem Dreck versanken. Ich hatte Landschaften angetroffen, die aufgrund von Planungen, von Fehlern und in ein oder zwei Fällen durch ein Mysterium verödet waren. Sie waren einwiederkehrendes Motiv für uns Immer-Eintaucher. Durch all diese leere Architektur fühlte ich mich getadelt: dass ich den Text meiner Regierung immer noch wiederholen konnte, obwohl ich es besser wusste.
    »Wenn es in Bremens Interesse wäre«, fuhr Wyatt fort, »würden wir euch gehen lassen und mich hierherschicken, um es zu beaufsichtigen. Wir haben uns nicht diese Mühe gemacht, weil wir ›keine Kolonie zurücklassen‹.« Er sah mich erwartungsvoll an. Probier es noch einmal!
    Ich dachte an die Tabellen. Ich schaute hoch Richtung Wrack , als ob ich durch die Decke sehen könnte. Ich wusste mehr über das Immer als irgendein anderer hier, einschließlich Wyatt. Ich erinnerte mich an Unterhaltungen – an den zaghaften Enthusiasmus eines Steuermannes, der nicht bemerkte, dass er irgendwelche Geheimnisse andeutete.
    »Wir sind am Rande des Immer«, erklärte ich meinen Kollegen. »Sie erforschen es. Botschaftsstadt war im Begriff, eine Zwischenstation zu werden.«
    »All die Bio-Fabrikate und so weiter«, sagte Wyatt. »Das ist nett.« Er zuckte mit den Schultern. »Nett, es zu haben. Doch Avice Benner Cho hat recht. Ihr habt mehr Aufmerksamkeit bekommen, als ein kleiner Ort wie dieser es verdient.«
    Keiner von uns schaute auf Mag oder Da. Wir alle wussten jetzt, was mehrere von uns zuvor vermutet hatten: dass Ra, ihr Geliebter, ein Agent gewesen war und sie beide sowie uns betrogen hatte. Es war keine Überraschung, dass er eine Agenda gehabt hatte, doch dass es etwas so Schädliches gewesen war, schockierte mich. Und dass Ra nichts gesagt hatte in den Tagen der Krise, als sich alles veränderte. Allerdings wusste ich nicht, was MagDa wusste.
    Ich vermisste das Immer: die Art und Weise, wie Schiffe durch sein Chaos und seine Masse pflügten auf ihrem Weg zu unmöglich weit entfernten Teilen des Alltagsweltraums, eingetaucht in jenen unendlich älteren Un-Ort. Ich stellte mir vor, eine Forscherin auf robust gebauten Pionierschiffen zu sein, die in gefährlichen Bereichen von Strömungen hin und her geschleudert wurden und durchSchulen von Immer- Haien kreuzten, die sich willkürlich abweisend verhielten oder absichtlich angriffen. Ich glaubte nicht an den Adel der Forscher, doch der Gedanke, das Projekt, trieb mich um.
    »Sie würden Tankstationen errichten müssen«, sagte ich langsam. »Und es ist ein schwieriger Ort, um aufzutauchen: Sie würden an der Stelle mehr Markierungen legen müssen.« Bojen, die halb im Immer und halb in der alltäglichen Leere hervorragten, mit Lichtern und Immer-Gegenstücken von Lichtern, um Ankömmlinge zu leiten. Die Nacht über Botschaftsstadt sollte mit mehr als nur dem Wrack erhellt werden, sie wäre mit kleinen farbigen Lichtern übersät. Und während Schiffe betankt und mit Vorräten sowie Chemikalien für die Lebenserhaltungssysteme beladen wurden und das neueste Dat- und Immerware-Upload erhielten, würde Botschaftsstadt der Platz sein, wo die Besatzungen warteten und sich mit Spielen die Zeit vertrieben. »Sie wollen

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