Stadt der Fremden
Botschaftsstadt-Jahr, stand unsere kleine Wirtschaft auf eigenen Füßen. Aus Achtung vor der Eumark wurde wie in allen Kolonien von Bremen unsere Währung Ersatz genannt. All diese Ersatze waren untereinander nicht verrechenbar, sie existierten jeweils nur für sich und hatten außerhalb der Grenzen ihres jeweiligen Gemeinwesens keinen Wert. Jener Teil meines Kontos, den ich heruntergeladen und bei mir hatte, würde für meinen Aufenthalt hier vollkommen ausreichen. Der Lebensunterhalt für ein paar Monate in Bremen war genug für mich, um in Botschaftsstadt bis zur nächsten, vielleicht sogar bis zur übernächsten Ablösung leben zu können. Ich glaube sogar, dass die Leute es nicht allzu sehr übel nahmen: Ich hatte mein Geld im Außen verdient. Ich erzählte den Leuten, dass das, was ich jetzt damit tat, Floaking war. Das stimmte nicht ganz – es gab keine Befehle, denen ich mit minimalem Aufwand nachzukommen hatte. Es war so, dass ich einfach nicht arbeitete. Doch sie waren begeistert vom Immer-Slang. Sie schienen meine Untätigkeit für mein Recht zu halten.
Jene meiner Schichteltern, die immer noch arbeiteten, gaben eine Party für mich. Ich war ein bisschen verwundert darüber, wie glücklich es mich machte, zu ihnen zurückzugehen, im Kinderhort zu sein, diese liebenswürdigen Menschen – von denen einige nun irritierenderweise alt waren und andere unverändert schienen – zu küssen und zu umarmen und sie laut rufend erneut zu begrüßen. »Ich hab dir ja gesagt, du würdest zurückkommen!«, rief Papa Shemmi immer wieder, während ich mit ihm tanzte. »Ich hab’s dir gesagt!«Sie wickelten die Kleinigkeiten aus, die ich ihnen aus Bremen mitgebracht hatte. »Das ist zu viel, meine Liebe!«, sagte Mama Quiller über irgendein Armband mit schönen Augmens. Die Papas und Mamas hießen meinen Mann scheu willkommen. Den ganzen Abend stand er mit einem gespielten Lächeln in der mit Luftschlangen geschmückten Halle, während ich betrunken wurde, und er beantwortete wiederholt dieselben Fragen über seine Person.
Mit einigen wenigen, die mit mir zusammen aufgewachsen waren, kreuzten sich wieder die Wege, wie zum Beispiel mit Simmon. Obwohl ich es ein bisschen erwartet hatte, sah ich niemals Yohn. Ich freundete mich mit anderen an, die aus mir unvertrauten Schichten kamen. Ich wurde zu Feiern des Botschaftspersonals eingeladen. Zwar waren dies nicht meine Kreise gewesen, bevor ich meine Heimat verlassen hatte, doch Botschaftsstadt war zu klein, als dass ich, eine Immer-Eintaucherin in der Ausbildung, nicht damals schon zumindest in die Nähe dieser Personen gekommen wäre. Jetzt wurden diese Leute, Personal und Botschafter, die ich in jenen Tagen nur vom Sehen und Hörensagen gekannt hatte, plötzlich zu Bekannten und zu mehr. Doch einige, die ich zu treffen erwartet hatte, waren fort.
»Wo ist Oaten?« Ich fragte nach einem Mann, der auf den Kanälen von Botschaftsstadt oft das Sprachrohr für das Personal der Botschaft gewesen war. »Wo ist Papa Renshaw?« »Wo sind GaeNor?« Ich erkundigte mich nach jener älteren Botschafterin, die, als ich für Sprache angeworben wurde, gesagt hatte: »Avice Benner Cho, oder?« Sie hatte diesen Satz in einem so großartig gespreizten Tonfall gesprochen, dass es ein Teil meines innerlichen Idiolekts geworden war. Wann immer ich mich selbst mit vollem Namen vorstellte, folgte meinen Worten in meinem Kopf ein kleines »… oder?« mit ihrer Stimme. »Wo sind DalTon?« Ich fragte nach dem berüchtigten Botschafter, Männer, die als gerissen und intrigant gegolten hatten und die sich weniger als üblich darum gekümmert hatten, ob ihre Streitigkeiten mit Kollegen geheim blieben. Ich hatte mich auf die Begegnung mit ihnen gefreut, seit ich erfahren hatte, dass sie es gewesen waren, die damals in meiner Kindheit öffentlichen Ärger gezeigt hatten, als jene Flapo kaputtgegangen war.
Oaten hatte sich auf seine bescheidenen örtlichen Besitztümer zurückgezogen. Renshaw war gestorben. In jungen Jahren. Darüber war ich traurig. GaeNor waren gestorben, eine fast sofort nach der anderen, und zwar aufgrund des Verbindungsschocks und des Verlustes. DalTon, so hatte ich mitbekommen, waren verschwunden oder verschwunden worden – nach anhaltender Opposition und ausgiebig gezeigter endgültiger Ungeduld gegenüber ihren Kollegen und nach irgendeinem ostentativ undurchsichtigen internen Konflikt beim Botschaftspersonal. Das faszinierte mich, und deswegen stocherte ich nach, erfuhr
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